Das geht ins Auge

Liebe Freunde der traditionellen Tangomusik,

einleitend zu unserer nächsten Müh-Longa veranstalten wir für alle Anhänger ohne Vorkenntnisse eine umfassende Einführung in das Mirada-Cabeceo-System und konnten dazu namhafte Referenten gewinnen:

Der Vermessungstechniker Dipl. Ing. Theo Dolit wird uns mittels eines geeichten Zielfernrohrs in die für den Blickkontakt günstigen Horizontalrichtungen, Zenit- und Vertikalwinkel einführen und die Abhängigkeit des Aufforderungserfolgs vom Cosinus der betreffenden Winkelabstände mathematisch herleiten. Das Motto seines Vortrags lautet: „Die Frauen mit den richtigen Winkelzügen gewinnen“.

Einen weiteren wissenschaftlichen Hintergrund dieser nunmehr von allen anspruchsvollen Tänzern präferierten Aufforderungsart wird unser Tangofreund und Facharzt für Augenheilkunde Dr. Max Focus („El Foco“) zusammen mit seiner Assistentin Iris vorstellen. Unter dem Thema „Die Frau im Brennpunkt“ wird er über günstige Behandlungspreise für Kontaktinsenanpassungen und Laserkorrekturen in seiner Praxisklinik informieren. Weiterhin behandelt er das Gebiet des Strabismus (vulgo: Schielen) unter dem Aspekt: „Hilfe, warum wollen immer gleich zwei mit mir tanzen?“ und erläutert Therapien von der Okklusionsbehandlung („Der Einäugige ist der König unter den Blinden“) bis zur Schieloperation („Für die Frau zum Messer greifen“).
Abschließend wird er noch unter dem Titel „Nicht gleich alle“ auf das Problem der Massenaufforderung durch pathologische Erhöhung der Lidschlussfrequenz bei allergisch bedingter Bindehautentzündung (Conjunctivitis) zu sprechen kommen.

Auch die hinreichende Lichtstärke auf der Milonga ist natürlich eine entscheidende Voraussetzung für das Gelingen der nonverbalen Aufforderung. Hierzu macht der Beleuchtungstechniker Hellgard Lumen einige kurze Anmerkungen zur erhellenden Ausleuchtung des Saals in OP-Qualität unter dem Motto „Mehr Licht heißt weniger Schatten“ und wird dabei auch die Vorzüge seiner 5 kW-Anlage praktisch demonstrieren (Sofi-Brillen werden auf Wunsch ausgegeben).

Danach wird euch unser beliebter DJ El Aburrido (alias Jochen Fad) in die Kunst der richtigen Art und Länge cabeceofreundlicher Cortinas einführen: „Musik, bis es die Letzte kapiert hat – der frequenzganginduzierte Einfluss auf die Wunschtänzerin“. Mit der passenden, langen Zwischenmusik gelingt die auch die Aufforderung unkomprimierter oder gerippter Formate mühelos!

Eine Vertreterin der bekannten Tangomode-Boutique „Zipfelfummel“ stellt uns anschließend ihre neueste Kollektion „Mirada“ vor. Die Kreationen werden mit schriftlicher Aufforderungsgarantie verkauft und belegen eindrucksvoll das Firmenkonzept: „Die Augen-Blicke lenken – von der Korb-Größe zur gefragten Tänzerin“.

Ein Höhepunkt unseres Seminars wird sicherlich der Auftritt des Tangobloggers C. sein, der sich einem seiner Lieblingsthemen widmet: „Die sexuelle Nötigung gemäß § 177 StGB und ihre Bedeutung bei der verbalen Au-Forderung im Tango“. Hierzu zeigt er, wie eine burkaverhüllte männliche Person respektvoll und ohne Anzüglichkeiten bis zu 60 Jungfrauen gefahrlos auffordern kann. Überzeugend wirkt sein persönliches Glaubenskonzept: „durch den Sehschlitz die Blicke erhaschen“.

Den krönenden Abschluss wird ein etwa zweistündiger Vortrag des Schweizer Tangomusikexperten Christian T. bilden: „Por una cabeceo“. Zunächst gibt er uns einen kurzen historischen Abriss zur Herleitung des Blickkontakts vom ursprünglichen Rivalen-Anstarren zwecks Einleitung des kreolischen Messerduells bis hin zur sensibel versteckten Tanzeinladung der Neuzeit. Im Hauptteil geht es dann um die verschiedenen Abarten des Cabeceo je nach dem gerade gespielten Gran Orquesta der EdO: „Vom D'Arienzo-Zwinkern bis zum Troilo-Augenrollen“. Abschließend wird er uns anhand von 87 kurzen Hörbeispielen eindrucksvoll beweisen, dass bei moderner Tangomusik eine Auforderung per Mirada und Cabeceo schlichtweg unmöglich und zudem sinnlos ist: Wenn Blicke töten könnten: der Bullshit-Tango".

Das Seminar wird schließlich von einem Stuhlkreis zwanghaft in eine Milonga übergehen, welche wegen des doch recht umfangreichen Theorieteils vorher nur zirka eine halbe Stunde dauern wird. Daher mein abschließender Rat an alle Teilnehmer: Wer da nur einmal falsch blinzelt, hat's verpasst!

Über die erfolgreiche Teilnahme an unserem Training erhalten alle Teilnehmer ein Zertifikat, welches zum Betreten einer traditionellen Milonga berechtigt.

In diesem Sinne und mit dem alten Voyeur-Motto: Nos vemos – schau'n wir mal!

Bildnachweis: www.tangofish.de

Kommentare

  1. Mit dem obigen Beitrag scheine ich einen "Hit" gelandet zu haben:
    Er führte in zirka 12 Stunden zu über 200 Zugriffen auf mein Blog (und zu mehr als hundert Klicks auf Facebook)!

    Mutigerweise hat mein "Inzwischen-Tango-Freund" Thomas Kröter aus Berlin es gewagt, meinen Beitrag auf der Facebook-Seite der Veranstalterin zu verlinken. Zitat:

    "Thomas Kröter: wie meistens ist mir der pfaffenhofener tangograntler ein wenig zu geschwätzig. aber der beitrag "Das geht ins Auge: Einladung zum Blinzel-Workshop" in "gerhards tangoreport" hat was, finde ich - besonders die passage über den burka-blogger c. und etwas mehr (selbst)ironie könnte uns allen nicht schaden. also zum nachlesen: http://milongafuehrer.blogspot.de. ich hoffe, die empfehlung ist hier nicht tangopolitisch inkorrekt."

    Es wundert mich nicht, dass er von der Angesprochenen ziemlich bierernst abgefertigt wurde. Zitat:

    "Theresa Faus: Ich bin offensichtlich humorlos und nicht zur Selbstironie fähig. Mit diesem Beitrag kann ich nämlich überhaupt gar nichts anfangen, nicht mal ein bisschen lachen wie sonst manchmal bei Gerhard Riedls Artikeln, auch wenn ich sie total daneben finde.

    Ideologen erkennt man ziemlich zuverlässig am "Lachtest": Den schaffen sie nämlich nicht, und schon gar nicht über sich selber..."

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  2. O je, jetzt kommt es aber dick für meinen zeitweiligen Sympathisanten Thomas Kröter: Gerade wurde ihm auf Facebook bescheinigt:

    "Wer sich auf Gerhard Riedl beruft, begibt sich ins Niemandsland zwischen Pennälerhumor und sinnfreier Provokation."

    Übrigens eine ganz sektentypische Reaktion: Wer sich auf "Ungläubige" beruft, wird ausgegrenzt.
    Na gut, der sich hier hinter dem Kürzel "Stef An" verbergende Herr ist offenbar Jurist und daher prima facie ein Humorexperte...

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  3. Teil 1

    ICH KANNS NICHT GLAUBEN !!!!!!!!!!!!

    "Tango DJ: Theresa Faus

    Termin Details :
    Cabeceo-Training (Cabeceo = Auffordern mit Blickkontakt) mit Theresa und Aureliano

    Das Auffordern aus der Ferne, nur mit Blickkontakt und subtilen nonverbalen Signalen, ist in Buenos Aires allgemein üblich und wird auch in Europa immer beliebter. Es ist faszinierend, sich mit einem anderen Menschen, womöglich mit einem Unbekannten, ohne Worte aus der Ferne zu verständigen, dass man miteinander tanzen will. Man vermeidet dadurch auch die unangehme Situation, einen Korb zu geben oder zu bekommen.

    Diese Technik ist mit etwas Übung nicht schwierig. Wir wollen also üben!

    Je mehr Leute kommen, desto effektiver ist das Training. Frauen- oder Männerüberschuss – kein Problem, umso besser zum Üben.

    Das Cabeceo-Training geht nach einer guten halben Stunde zwanglos in die Milonga über.

    Das sind einige der Themen, die behandelt werden:
    - mit welchen nonverbalen Signalen kann ich mein Interesse kundtun?
    - wie verhalte ich mich, wenn ich mit jemandem nicht tanzen will?
    - wie vermeide ich eine Verwechslung, und wie gehe ich damit um, wenn es trotzdem passiert?
    - wie verhalte ich mich, wenn mein avisierter Partner zwar in meine Richtung schaut, aber nicht reagiert?"

    Mein Ratschlag: sich einfach erschießen.....

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  4. Teil 2

    Laut unserem Kabarettisten Alfred Dorfer gibt es wesentliche Unterschiede bei einigen Begriffen im "österreichischen" und im "deutschen Deutsch":

    Ihr geht zur Schule, wir gehen in die Schule.
    Wir sprechen vom Sackerl, ihr von der Tüte....

    Unter diesem Gesichtspunkt erhält der erwähnte Stuhlkreis beim geradezu unglaublichen Seminar zum Erlernen des Blinzelns zwecks Suizidvermeidung bei einem Korb erst aus meiner österreichischen sprachlichen Sicht auf diesen Bullshitt passende Bedeutung.......

    Sprache klärt bereits per se Vieles auf.

    Grüße vom Traunsee
    Peter

    ps.: ich könnte gar nicht teilnehmen, weil ich mir nach sechzig Jahren kaum mein Repertoire an bereits vorhandenen subtilen nonverbalen Signalen abgewöhnen könnte.

    Ich denk an den zu unrecht beschuldigten Varoufakis, für den Fall daß ich mit jemandem nicht tanzen will und dabei auf "subtile nonverbale Signale" zurückgreifen müßte, anstatt den oder die einfach nicht aufzufordern?

    Ich sehe mich schon nach wenigen Minuten des Seminars zurecht mit der Arschkarte konfrontiert (Karte aus der Gesäßtasche des Schiedrichters im S/W-Fernsehen zur Unterscheidung von der gelben Karte aus der Brusttasche, die zu dieser Zeit im Grauton nicht von der roten zu unterscheiden war. Die Griffrichtung hat gezeigt, ob Rot oder Gelb.......

    Ich würde den Stuhlkreis gar nicht erleben..........geschweige denn den zwanglosen Übergang in die Milonga, schon gar nicht die Milonga selbst.........ich würd es verschmerzen. Ich geh lieber dort hin, wo sich ausreichend gefestigte Menschen darüber VERBAL austauschen, ob sie jetzt miteinander Tanzen wollen oder nicht. Wozu haben wir uns dann in den letzten zwei Millionen Jahren der Eiszeiten bemüht, von Tarzans UUUUUaaaaHHHH nahe an Goethe und Schiller heran zu kommen.

    Liebe Tangueros, wenn ihr keine ausreichende psychologische Vertrauensbasis zu Eurem etwas weiter entwickelten UUUUUaaaaHHHH zum Auffordern beim Tango habt, dann müßt ihr tatsächlich in das Seminar.............Die ebenfalls nonverbale Vorgangsweise des Heranschleifens an den Haaren wie in der Steinzeit aus der Stummfilmzeit kommt für euch ja nicht in Frage. Bei diesen sensiblen Seelen der Tangueros. Kann ich gut verstehen, weil diesem Vorgang der Schlag mit der Keule voraus gehen muß, damit die Tanguera schleiffähig wird. Das wirkt sich aber wieder dämpfend auf deren Tanzfähigkeit aus. Wenn sie zu sich kommt ist viellicht gerade Cortina: und so entsteht aus dieser Strategie keine gemeinsame Tanda, weil die Tangueras nur während der Cortina bei Bewusstsein sind….……….die Satire hinkt nicht nur hinter der Realität nach, sie verstirbt geradezu angesichts eines solchen Seminars und seines Inhaltes und der außergewöhnlichen Realsatire, daß es dafür auch Teilnehmer gibt. Aber die Beobachtungen bei Milongas lassen einen das nicht Wunder nehmen…..

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    1. Lieber Peter,

      ja, da war wohl die ganze Evolution der Begriffssprache für die Katz, wenn wir jetzt wieder auf die Zeichen- und Symbolsprache zurückfallen! Interessanterweise ist ja zumindest bei Tarzan die Gefährtin Jane diejenige, welche dem Lendenschurzträger lehrt, seine Wünsche und Gefühle durch eine differenziertere Sprache auszudrücken. Im vorliegenden Fall bin ich mir da nicht so sicher...

      Aber bei solchen Beispielen stößt die Satire an ihre Grenzen, das ist leider wahr. Was bleibt uns da anderes als "sinnfreies Blödeln"?

      Herzliche Grüße
      Gerhard


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  5. Nun hat ja Theresa Faus dankenswerterweise auf ihrem FB-Profil eine ausführliche Stellungnahme zu meinen Artikeln veröffentlicht, mit der ich durchaus leben kann. Sie bestreitet, den Cabeceo zum Dogma zu erheben und auf den Milongas zur Pflicht machen zu wollen; die Aufforderungsart sage in unseren Breiten auch nichts über die Qualität von Tänzern aus. Das wollen wir uns mal merken!

    Liest man die zahlreichen Äußerungen ihrer Anhänger, ergibt sich ein anderes Bild. Bei einigen hat der Humormangel eine Grenze erreicht, die eher an Mitglieder einer fanatischen Sekte denn an Tangotänzer denken lässt. Ich will mich aber nicht beklagen - solche Gegner machen einem Satiriker die Arbeit leicht: Man kann sich weitgehend aufs Zitieren beschränken und die Bewertung den Lesern überlassen.

    Ich habe lediglich mit den branchenüblichen Stilmitteln der Übertreibung und kalauernden Zuspitzung eine Veranstaltung karikiert, welche ich allerdings als weiteren Reglementierungsversuch im Tango ansehe und daher für kontraproduktiv halte.

    Das rein traditionelle Verständnis des Tango findet derzeit immer mehr Anhänger; diese sind überwiegend nicht bereit zum Kompromiss und plädieren lieber für eine Abkapselung von der restlichen Tangowelt. Dies ist ihr gutes Recht, allerdings auch ein klassisches Thema für Satire. Diese werden sie sich weiterhin von mir gefallen lassen müssen.

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  6. O je, nun hab ich's verpasst!

    Die Augsburger "Milonga Central", deren Bemühungen um Ordnung im Tango ich schon beschrieben habe ("Tango oder "Etikette"), offerierte am 9.5. eine ganz besondere Einführung:

    "Erstmals möchten wir an diesem Abend eine Practica anbieten. Wir nennen sie „Practica entre Amigos: Üben unter Freunden“. So soll das Ziel sein. Die Praktika ist für alle da, die sich darauf einlassen wollen, ein harmonisches Tanzen in der Ronda mit uns zu üben. Wenn nämlich möglichst viele Tänzer/innen sich beherzen, in der Ronda zu tanzen, entsteht auf der Tanzfläche eine besondere Schwingung. Dies ist spürbar. Tanzen in der Ronda könnte man auch als „soziales Tanzen“ umschreiben. Es geht nicht darum, Figuren abzutanzen, sondern in Rücksichtnahme auf alle Tänzer/innen achtsam den Raum zu nutzen."

    Von dieser "besonderen Schwingung" berichtete mir schon mein Vater. Den hierfür geeigneten Ort nannte er allerdings nicht "Tanzfläche", sondern "Exerzierplatz": "Stillgestandän, die Augään links - drei, vier, ein Tango!" Leider kamen die Offiziere damals nicht darauf, Marschieren als "soziales Gehen" zu bezeichnen...

    Wenn wir dies "beherzen", kann "Fortschritt" so einfach sein...

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  7. Das wär doch auch noch eine Marktnische in der Tango-Workshop-Manie:

    „…mehr als nur WAU WAU! Ein Sprachkurs für Kinder.
    Der Workshop soll zur Verständigung beitragen, Missverständnisse zwischen Kind und Hund vermeiden helfen, Ängste mittels Sachkenntnisse und Umgangsregeln abbauen und zu einem harmonischen Miteinander beitragen.
    Was haben Gähnen, Blinzeln, Kopf wegdrehen mit Kommunikation zu tun? Kinder erhalten in diesem Workshop Einblicke in die vielfältige Sprache des Hundes und seine Bedürfnisse. Die Kommunikation von Mensch und Hund hat neben vielen nennenswerten Unterschieden auch viele Gemeinsamkeiten.“

    Vorschlag: Jede(r) bringt ein Kind und/oder einen Hund mit – und wenn’s die dann kapiert haben, dürfen sie mitmachen und werden an der Leine im Kreis rum geführt (die Hunde!).

    Näheres unter:
    http://www.hundecouch.org/kind-hund-workshop/

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