Jetzt mal im Ernst
Meine
letzten Beiträge, vor allem der zur bedeutungshubernden Technikdiskussion unter DJs („Hertz
statt Corazón“) und die Verblödelung eines „Cabeceo-Trainings“ („Das
geht ins Auge“) haben dieses Blog auf ungeahnte Einschaltquoten katapultiert:
Allein gestern gab es 280 Zugriffe!
Einerseits
freue ich mich darüber natürlich sehr: Mir ist klar, dass mir und den wenigen,
welche sich hier zu kommentieren trauen, lediglich eine Minderheitenposition zugebilligt wird – zumindest im
veröffentlichten Teil der Tangodiskussionen. Wenn man da nicht wenigstens ein
paar Leser hat, wird es noch enger.
Andererseits
stimmt es mich nicht so froh, die Gesetzmäßigkeiten
der Aufmerksamkeitserregung immer wieder bestätigt zu bekommen: Über das
Thema „Mirada und Cabeceo“ habe ich schon ziemlich ernsthaft geschrieben,
beispielsweise in meinem neuen Milonga-Führer; eine entsprechende Leseprobe im
Blog findet man hier:
Die
Aufrufzahlen damals waren eher übersichtlich – Kommentare: keine. Nun habe ich es
vorgestern gewagt, die Einladung einer bekannten DJane und Tangoveranstalterin zu
einer derartigen Schulungsveranstaltung in kalauernder Form zu persiflieren.
Die Reaktion der Szene: „Ui, jetzt gibt’s
ein Duell, rück‘ mal die Couch näher ran, ich hol noch schnell Bier und Chips!“
Und wenn’s dann noch ein paar Witze gibt, freuen sich die Schenkel übers
Beklopftwerden…
Man
kann mir in dieser Hinsicht den Vorwurf machen, entgegen meinen üblichen Grundsätzen persönlich kritisiert zu haben. Nur habe
ich immer betont: Wer sich öffentlich äußert, muss sich auch publizierte Kommentare
dazu gefallen lassen.
Das
Kommunikationsverhalten in solchen Fällen ist offenbar stereotyp: Man redet nicht mit mir, sondern über mich.
Immerhin bestellte die besagte Dame (die mich übrigens vor langer Zeit
schon mal aufgefordert hat – und das verbal!) vor Jahren bei mir mein Tangobuch
und nahm dabei den Vorzug einer kostenlosen Lieferung gerne in Anspruch.
Weniger interessiert hat sie das stets beigefügte Begleitschreiben, dass ich
mich über ein – gerne auch kritisches – Feedback an meine Adresse freuen würde.
Stattdessen zog sie bei meinem Konkurrenten Cassiel über mich her:
„Na ja, mein ‚nobler
Umgang‘ mit G.R. verdankt sich nicht einer edlen Gesinnung, sondern dem, dass
ich aus Gründen der Zeitökonomie und des Seelenfriedens nicht eine
Zitat-Zerpflückung meinerseits zerpflücken wollte. Außerdem ist der G.R. zwar
ein virtuoser Lästerer, aber ein lausiger Zitat-Zerpflücker.“ (27.11.10)
Auch
zu meinem jüngsten Blogbeitrag fiel ihr – nachdem ein Gesprächspartner immerhin
fand, er „hätte was“, nur diese Replik
ein: „Ich bin
offensichtlich humorlos und nicht zur Selbstironie fähig. Mit diesem Beitrag
kann ich nämlich überhaupt gar nichts anfangen, nicht mal ein bisschen lachen
wie sonst manchmal bei Gerhard Riedls Artikeln, auch wenn ich sie total daneben
finde.“ (FB, 27.4.15)
Grundsatz: Was der
andere schreibt, ist so daneben, dass man darauf ernsthaft nicht eingehen muss.
Ein
zweiter Mechanismus kam (wieder einmal) gleich hinterher: Ein offensichtlicher „Todernsttänzer“
(durch sein Jurastudium per se zum Humorexperten qualifiziert) beschied meinem
Sympathisanten: "Wer sich auf
Gerhard Riedl beruft, begibt sich ins Niemandsland zwischen Pennälerhumor und
sinnfreier Provokation."
Grundsatz: Wer einen
Ungläubigen interessant findet, wird ausgegrenzt und darf nicht mehr in unserem
Tango-Sandkasten spielen.
Ich
habe diesen Mechanismus x Mal erleben dürfen: Äußert jemand in den einschlägigen
sozialen Netzwerken auch nur einen Hauch von Verständnis für meine Ansichten,
wird ihm sofort klargemacht, dass er hinfort alleine tanzen darf…
Der
dritte Grundsatz sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt: Ja nicht zum wahren Namen stehen – immer schön
aus dem Hinterhalt schießen.
Jetzt
also im Ernst:
Ich
habe doch gar nichts dagegen, wenn manche lieber per Blickkontakt denn verbal auffordern! Je nach Persönlichkeitstyp und
Situation kann jeder die ihm optimal erscheinende Version wählen.
Ich
habe kein Problem damit, wenn viele Tänzer/innen lieber auf spektakuläre Bewegungen verzichten,
weil ihnen ein ruhiger, sensibler Tango lieber ist.
Ich
habe mich noch nie beim DJ beschwert, wenn dieser den ganzen Abend nur EdO-Musik auflegte – noch dazu, weil mir
gekonnte Zusammenstellungen dieser Art durchaus ein genussvolles Erlebnis
bereiten können.
Ebenso
wenig finde ich es schlimm, wenn sich DJs ein profundes Wissen zur Tangomusik aneignen und dies auch an andere weitergeben.
Und wieso sollte ich etwas einzuwenden haben, falls sie sich intensiv um eine
bessere Tontechnik zur optimalen
Wiedergabe bemühen?
Wogegen
ich mich aber stets wehren werde: Diese Dinge zum Dogma zu erheben, so nach dem Motto:
-
„Bei uns wird nur per
Cabeceo aufgefordert – wer sich anders verhält, bekommt keine Tanzpartnerin.“
-
„Wer spektakulärer tanzt,
riskiert ein Hausverbot“
-
„Anhänger modernerer
Tangomusik leiden unter einem mangelnden Geschmacksempfinden.“
-
„Wer nicht die Sänger
eines bestimmten Orchesters chronologisch aufzählen kann oder im mp3-Format
auflegt, hat keine Qualifikation als DJ.“
Und
da wird es mir bitterernst: Hier geht es – wie beim Jäger- oder Ärztelatein – bestimmten
Cliquen um die Etablierung eines Herrschaftswissens,
das ihren Einfluss in der
entsprechenden Branche sichern und verhindern soll, dass nicht genehmes
Personal ihre Kreise stört. Und das pseudoliberale Bekenntnis „Wem es nicht gefällt, der soll halt
woanders zum Tanzen gehen“ macht mir Angst. Das habe ich zu meinen „revolutionären“
68-er Zeiten schon einmal von einem ähnlich gestrickten Spießertum gehört: „Wenn es euch nicht passt, dann geht doch
rüber!“ Wir haben damals geantwortet: „Das
könnte euch so passen – dann wärt ihr die Opposition hierzulande los!“ Ich
muss heute noch darüber schmunzeln, dass sich im Endeffekt dann die halbe DDR
auf den Marsch in die Gegenrichtung begab…
Weitere Infos:
http://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%A4nner,_die_auf_Ziegen_starren
Gerade im Internet gefunden und vielleicht auch eine Cabeceo-Version:
AntwortenLöschen„Blinzel-Spiel: Das Spiel besteht darin, sich gegenseitig anzuschauen und wer zuerst blinzelt hat verloren. Sehr simpel, aber es kann ziemlich anregend sein, sich ganz lange in die Augen zu schauen. Und wenn sie kleiner ist als du, hast du sowieso höhere Gewinnchancen, da sie nach oben schauen muss und das die Augen zusätzlich anstrengt. Viel Spaß damit :)“
(Quelle: „Ansprechtipps – Flirten, Verführung und Sex; http://www.ansprechtipps.de/tag/blinzel-spiel/)