Harald Schmidt und das Beleidigtsein
In der Phase „zwischen den Jahren“ hatte ich viel Zeit, mich mit einem meiner Lieblings-Kabarettisten, Harald Schmidt, zu beschäftigen. Öffentliche Aufmerksamkeit errang er ab 1990 zusammen mit Herbert Feuerstein durch die bizarre Comedy-Show „Schmidteinander“. Die beiden, so ihre Selbstauskunft, verband „der Hass auf die Menschheit und die Liebe zum Publikum“ getreu Feuersteins „satirischem Grundgesetz: Jeder hat das Recht, verarscht zu werden“.
Bundesweites Idol (jedenfalls für die Fans) wurde Schmidt ab 1995 mit der „Harald Schmidt Show“, die auf Sat. 1 bis 2003 lief. 2004 kehrte er zur ARD zurück und produzierte seine Late Night Show dort, ab 2011 zog das Format wieder zu Sat. 1 um. 2014 war dann nach diversen Stationen endgültig Schluss.
Seither lässt sich Schmidt gerne von Theatern und Interviewpartnern einladen, um Gastrollen zu übernehmen und seine immer noch messerscharfen Pointen aufs Zeitgeschehen abzuschießen. Dabei verschont er auch junge Journalisten nicht, die sich dann – zu seinem sichtbaren Vergnügen – mit den Pointen des Altstars abrackern müssen.
Nach seiner Devise „Drehort geht vor Inhalt“ kann man ihn mit schönen Lokalitäten reizen. So spielt er mit Wonne auch den „Kreuzfahrtdirektor Schifferle“ in der ZDF-Serie „Das Traumschiff“. Wobei er gerne jungen Schauspiel-Kollegen Teile seines Textes überlassen würde.
https://de.wikipedia.org/wiki/Harald_Schmidt
Auf YouTube gibt es nicht nur unzählige Ausschnitte der „Harald Schmidt Show“, sondern auch neuere Videos seiner vielen Gespräche mit Interviewpartnern, welche er öfters – zum eigenen Vergnügen – gewaltig leiden lässt.
Ich habe zwei Sendungen herausgesucht, welche Harald Schmidts Arbeitsweise recht gut porträtieren:
Warum Harald Schmidt nicht in die Politik ging? Ihn störten die Wähler. Er zitiert dazu Winston Churchill, der einmal sagte: „Das beste Argument gegen die Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit einem Durchschnittswähler.“
Selber hat er ziemlichen Respekt vor dem Beruf des Politikers: Allein angesichts der Arbeitsbelastung frage er sich, wie man das aushalten könne. Da begnüge er sich lieber mit dem Job als Witzemacher und freue sich, dass es Leute gebe, welche sich den Politiker-Beruf antun.
In der Politik höre man heute oft: „Wir müssen es besser kommunizieren.“ Es müsse gelingen, die Menschen mitzunehmen. „Meine Erfahrung ist: Wenn es uns gelingt, die Menschen mitzunehmen, ist es den Menschen egal, wohin.“ Das sei doch eine gute Basis!
Schmidt erklärt, ein großer Fan des noch regierenden Bundeskanzlers zu sein, weil der nüchtern die Sachen abarbeite. Noch nie aber sei in der Bundesrepublik jemand Regierungschef geworden, weil er ein guter Redner war. Wirksame Slogans beschränkten sich auf zwei, drei Wörter: „America first“ oder „Get Brexit done°. Mit mehreren Sätzen seien doch die meisten Wähler bereits überfordert.
Mit dem Moralischen sollte man „Dirty Harry“ aber nicht kommen:
Harald
Schmidt,
so die Moderatorin in einem Video, habe doch nun wirklich etliche Menschen
abgrundtief beleidigt. Seine Antwort: „Wenn jemand beleidigt ist,
liegt das nicht in meiner Verantwortung. Das Beleidigtsein ist ja heute in Deutschland
schon eine eigene Industrie.“ Er zitiert den „Gottvater der Late Night
Shows“, Johnny Carson: „Man kann keine Late Night Show machen,
ohne Leuten auf die Füße zu treten.“ Der dümmste Satz sei: „Er
macht Satire, aber ohne zu verletzen. Es ist der Zweck von Satire,
Leuten auf die Füße zu treten. “ Man habe sich jedoch nicht an die alte Oma mit
dem Einkaufswagen rangemacht. Aber die Regel Nummer eins sei: „Wer im
Fernsehen sie Rübe raushält, ist fällig.“ (Für meine Verhältnisse lies: „auf Facebook“!)
Dabei habe er sich immer an das Grundgesetz und die rechtlichen Normen gehalten.
Aber beleidigt zu sein ist für Schmidt keine ernsthafte Kategorie. Für mich übrigens auch nicht...
Gibt es Grenzen für Schmidts Satire? Da ist er eindeutig: „Der Rechtsstaat. Ich habe kein Problem damit, wenn Leute sich aufregen und sagen: Du hast meine Gefühle verletzt. Das ist ja nicht justiziabel. Ich fühle mich auch in meinen Gefühlen verletzt, wenn sich jemand an der Straßenbahn vordrängelt. Was soll das für ein Kriterium sein?“
Man habe sich halt den aktuellen Verhältnissen anzupassen:
„Ich muss aber heute damit rechnen, wenn ich zum Beispiel über einen – beachte bitte die Präzision – Subsahara-Afrikaner einen Witz mache, weil der mit dem Fahrrad umgefallen ist, dass mir ein latenter Rassismus unterstellt wird. In dem Fall sage ich dann: Was mich an diesem Vorwurf stört, ist der Begriff ‚latent‘! Das wird dann aber schon nicht mehr begriffen, weil man schon wieder beim nächsten Empörungsfestival ist. Sowas macht mir da auch wieder großen Spaß.“
Wichtig war für Schmidt die Rolle des „Sidekicks“ (vor allem Manuel Andrack), der dem Chef entweder verlogenes Lob zollen musste oder dessen Ausfälle – ebenso verlogen – zu korrigieren hatte.
Heute ginge das auch noch, so Schmidt, aber man müsse den Code des Gegners lernen: „Ich muss einfach sagen: ‚An der Ampel standen zwei Menschen, die von mir als Frauen gelesen wurden.‘ Korrekter geht’s nicht. Die Haltung dahinter ist aber tief in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts verwurzelt. Das ist der Spaß aus dieser Diskrepanz.“
Schmidts Zielgruppe unterscheidet sich kaum von der Tango-Population: „Generation 50 plus, die zweite Scheidung, kein Ehevertrag, falscher Ehevertrag, Jobverlust, falsche Vorstellung vom Auswandern…“
Ein Beispiel seiner vielen Geschichten:
Der Kabarettist liebt es, mit seinem alten Jaguar in 30er-Zonen mit 28 km/h (also ultra-vorbildlich) zu fahren. Wenn es dann hinter ihm hupe, könne er das sehr genießen: „Ich sage mir: Warum hupst du da hinten? Wo willst du hin? In deine Doppelhaushälfte mit Carport, wo die zwei Kanus unters Dach geschoben sind, wo irgendjemand zu dir sagt: ‚Hallo Schatz, wie war dein Tag?‘ Oder vielleicht ein Zettel an der Tür ist: ‚Das Essen steht im Kühlschrank.` Warum hast du’s eilig? Und schon wieder hab ich Top-Laune!“
Mir hat das Wühlen in vielen Harald Schmidt-Videos große Freude gemacht. Für erste Eindrücke empfehle ich diese:
https://www.youtube.com/watch?v=TfetTCzvz6g
https://www.youtube.com/watch?v=gJbra_BLX0Y
Daher kann ich auch nur sagen: Mir geht es ebenfalls nicht um die alte Oma, die mal auf einer Milonga zuguckt. Aber wer im Tango die Rübe raushält, ist fällig!
Das ist doch ein schöner Neujahrs-Vorsatz!
Es wundert mich nicht, dass Sie fan sind, Schliesslich ist Harald Schmidt eine polarisierende Figur in der deutschen Unterhaltungsbranche, dessen Werk heftige Kritik hervorruft. Während er für viele ein Pionier der deutschen Late-Night-Shows war und mit seinem unkonventionellen Humor neue Maßstäbe setzte, wird er von vielen Seiten auch kritisch beobachtet.
AntwortenLöschenMein zentraler Kritikpunkt an Schmidts Humor liegt in seiner oft grenzwertigen Natur. Seine Äußerungen über Minderheiten, Frauen und gesellschaftliche Gruppen werden häufig als beleidigend und verletzend empfunden. Diese Kritik richtet sich nicht nur gegen die Häufigkeit solcher Äußerungen, sondern auch gegen die Art und Weise, wie sie vorgetragen werden. Bei Ihnen sehe ich oft eine unangebrachte, herabwürdigende Art zB. Encuentrobesucher zu verunglimpfen. Schmidts sarkastischer und oft zynischer Tonfall verstärkt die Wirkung seiner Worte (wie bei Ihnen) und fasse sie als respektlos auf. Kommt Ihnen das bekannt vor? Genau so machen Sie es auch Herr Riedl, aber immer knapp unter der Gürtellinie:
Darüber hinaus wird Schmidt vorgeworfen, wichtige gesellschaftliche Themen zu verharmlosen. Durch seine satirischen Überzeichnungen würde er die Schwere von Problemen wie Rassismus, Sexismus und Diskriminierung bagatellisieren und damit zu einer Normalisierung solcher Verhaltensweisen beitragen. Ich sehe in dieser Tendenz eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Frage der Selbstreflexion. Schmidt wird oft vorgeworfen, seine nicht selten verletzenden Aussagen nicht ausreichend zu reflektieren und sich für mögliche Schäden nicht zu entschuldigen. Auch hier sehe ich eine Parallele zu Ihnen. Schuld sind in Ihrer Welt immer die Anderen. Sie können nicht mal zugeben, dass Sie von Musiktheorie keine Ahnung haben. Oder wenn Sie wieder einen willkürlichen Youtubbeitrag eines Tanzlehrers zynisch zerreißen und Ihnen danach zahlreiche Leser von guten Erfahrungen berichten, ist Ihre Meinung weiterhin wie zementiert. Dies unterstreicht den Eindruck, dass er/Sie ihre Rolle als öffentliche Person nicht immer ernst nehmen und die Konsequenzen ihrer Worte nicht ausreichend bedenken.
Die Folgen dieser Kritik sind vielfältig. Zum einen hat sie dazu geführt, dass Schmidts Popularität in den letzten Jahren nachgelassen hat. Immer mehr Zuschauer finden seinen Humor unangemessen und fühlen sich durch seine Äußerungen verletzt. Zum anderen hat sich die gesellschaftliche Sensibilität für Themen wie Diskriminierung und soziale Gerechtigkeit in den letzten Jahren stark verändert, wodurch Schmidts Humor noch stärker in Frage gestellt wird.
Was Sie betrifft: auch bei Ihnen hat eine ähnliche Veränderung stattgefunden. Weder Schüler noch Mitdiskuierende verhalten sich noch wie Sie es gewohnt sind. Ihre lehrerhafte Autorität wird nicht mehr akzeptiert-leider gelingt es Ihnen nicht mit der Zeit zu gehen. Stattdessen ziehen Sie sich in Ihr Dorf zurück und kritisieren Dinge, welche Sie nie echt erlebt haben. Jegliche Kritik daran ist gleich einen Majestätsbeleidigung und wird Oberlehrerhaft weggebügelt. Dass inzwischen die halbe Tango- (und Lehrer- und Zauberer-) szene darüber Lacht merken Sie nicht, ebenso nicht, dass ein Großteil Ihrer Zugriffszahlen darauf basieren, dass Ihre hater miterleben wollen wie Sie sich wieder blamieren.
Zwei Dinge unterscheiden Sie beiden jedoch: 1. Herr Schmidt ist trotz seiner Defizite noch ein Meister der Sekbstreflexion- verglichen mit Ihnen und - er kann besser Tanzen.
Adalbert Falcon
Gratulation - nach der Statistik war das nun der 5000. Kommentar - und das auf einem Blog, auf dem kaum jemand kommentiert!
LöschenIch hatte schon gefürchtet, es würde zum Jubiläum der übliche Drei-Zeilen-Schmus werden. Stattdessen doch ein recht beachtlicher Aufsatz. Und noch dazu mit einem so hübsch erfundenen Namen - angelehnt wohl an die berühmte Tangosängerin Ada Falcón. Immerhin!
Dass ich inhaltlich auf Ihre Zeilen eingehe, haben Sie sicher nicht erwartet.
Besten Dank und freundliche Grüße!