Trolle: Befunde, Diagnosen, Therapien


Nicht nur ich habe mit solchen Foren-Belästigern schon Erfahrungen gemacht:


Kürzlich musste ich wegen eines besonders hartnäckigen Angriffs sogar die Kommentarfunktion meines Blogs schließen.

Das bildet keine Ausnahme: Die sehr umfangreiche und schon lange bestehende Seite www.tanzmitmir.net ging vor einigen Wochen vom Netz. Die wahren Gründe kenne ich zwar nicht – aber was ich dort in den letzten Jahren zunehmend erlebt habe, würde durchaus reichen: Immer mehr wurde dort gerade der Tangobereich nicht nur von Rechthabern und Stammtisch-Schwaflern, sondern eben auch durch Trolle wie „NocheroSoy“, „Tango Vifzack“ und „Antwort“ dominiert. Kaum ein Thema, welches nicht nach kurzer Zeit in einem Wust von dümmlichen Sprüchen und schlimmen Aggressionen unterging. Vom Wirken des Administrators merkte man gerade im letzten Jahr nichts mehr.

Aber auch große Nachrichtendienste und Tageszeitungen wie „web.de“ oder „Süddeutsche“ mussten ihre Kommentarfunktionen einschränken oder gar völlig schließen. In den restlichen offenen Bereichen versucht man mit Löschungen und Sperrungen den Kopf noch halbwegs über Wasser zu halten – Ende ungewiss:


Der FAZ gelang sogar einmal ein Interview mit einem solchen Foren-Troll:


Zu den Befunden hinsichtlich des Krankheitsbildes „Troll (Netzkultur)“ stellt Wikipedia fest:

„Als Troll wird bezeichnet, wer absichtlich Gespräche innerhalb einer Online-Community stört. Die Provokationen sind in der Regel unterschwellig und ohne echte Beleidigungen. Auf diese Weise vermeiden oder verzögern Trolle ihren Ausschluss aus administrierten Foren.“

Nach einer israelischen Studie (Befragung von Wikipedia-Adminisitratoren) ergeben sich folgende Verhaltensmuster:


Trolle agieren absichtlich, wiederholt und schädlich.
Trolle ignorieren und verletzen die Grundsätze der Community.
Trolle richten nicht nur inhaltlichen Schaden an, sondern versuchen auch, Konflikte innerhalb der Community zu schüren.
Trolle sind innerhalb der Community isoliert und versuchen ihre virtuelle Identität zu verbergen, etwa durch die Nutzung von Sockenpuppen.
 
(Unter „Sockpuppets“ versteht man weitere Benutzerkonten, welche der Troll anlegt, um seine Identität zu verschleiern oder sich in der Diskussion Stichwörter geben zu lassen, welche die Debatte weiter anheizen. Erinnert sich noch jemand an den Kommentator „Affig“ bei Cassiel?)

Die Psychologen Buckels, Trapnell und Paulhus von der University of Manitoba in Winnipeg haben 2013 eine interessante Studie vorgelegt: Bei über 400 Personen, die regelmäßig Seiten mit Kommentarmöglichkeit besuchten, fanden sie bei knapp 6 Prozent die Neigung, sich als Troll zu betätigen. Insbesondere fand sich bei ihnen eine Persönlichkeitsstruktur, die als „Dunkle Tetrade“ bezeichnet wird. Die vier sozial unerwünschten Eigenschaften, welche hierbei mitspielen, sind:

Narzissmus
Machiavellismus
Psychopathie
Sadismus (Letzterer ist besonders häufig vertreten!)

Der Narzisst möchte von anderen bewundert werden, da er davon überzeugt ist, dass ihm Ruhm zusteht. Auf Kritik reagiert er mehr als gereizt.

Der Machiavellist agiert nach dem Motto: „Der Zweck heiligt die Mittel.“ Er zeigt einen manipulativen Verhaltensstil und Mangel an Empathie für andere. Diese sind nur insofern wichtig, als sie seinen Zielvorstellungen nützen.

Der Psychopath betrachtet andere als Objekt, ist sehr impulsiv und hat keine Angst vor den Konsequenzen seines Tuns. Daher neigt er zu kriminellem Verhalten.

Grob gesagt: Dem Narzissten geht es um Bewunderung, der Machiavellist will seine Ziele erreichen und dem Psychopathen geht es um die Handlung selbst.

Der Sadist erlebt Befriedigung darin, Menschen Schlimmes zuzufügen oder sich am Leid anderer zu erfreuen. Es muss nicht unbedingt ein sexueller Bezug bestehen.

Gemeinsam ist all diesen Störungen ein gefühllos-manipulativer interpersoneller Stil. Einerseits gelten diese Eigenschaften zwar als gesellschaftlich schädlich, andererseits können sie gerade bei Führungskräften durchaus die berufliche Karriere fördern. Auch in sexuellen Beziehungen versprechen sie oft Erfolg. Jene „dunklen Eigenschaften“ werden in der beschriebenen Kombination nicht als psychiatrische Erkrankungen gewertet, sondern als Persönlichkeitskomponenten, welche sozusagen „normale“ Menschen zeigen.

Quellen:

Wie kann man Trollen begegnen?

Der Blogger Jens Schulz hat dazu 5 bemerkenswerte Tipps veröffentlicht:

Er beschreibt Trolle als „Leute, die versuchen, Boards, Foren und Blogs für ihre eigene – meist gegnerische – politische oder weltanschauliche Agenda zu missbrauchen, aus irgendwelchen Gründen einen persönlichen Groll gegen jemanden ausleben, als Stalker eine Person, zu der sie glauben, eine Beziehung zu haben, verfolgen oder schlicht einfach nur infantil nerven möchten.“

Sehr nüchtern stellt er fest:

„Es ist völlig wurscht, warum jemand trollt, es steckt immer dasselbe Ziel dahinter, nämlich die Übernahme bzw. Zerstörung der eigentlichen Kommunikation. Es ist am Ende immer ein Machtspiel und es geht darum, dass ihr euch vom Troll vereinnahmen lasst.“

Im Einzelnen:

„Ihr müsst für euch immer Prio eins bleiben!“

Man darf auf seiner eigenen Seite frei bestimmen, mit wem, worüber und in welcher Weise man kommunizieren will: Für jemanden, der dir hier seine Themen aufdrückt, mit seiner Kommunikation deine zerstört, sich rücksichtslos in dein digitales Leben zwängt, gibt es überhaupt keinen Anspruch darauf, dass du dich mit ihm oder seinen Themen beschäftigen musst.“ Und zwar auch dann, wenn „wohlmeinende“ Dritte das alles „gar nicht so schlimm“ finden (was ich nur zu gut kenne…).

„Keine Diskussion! Ihr müsst euch nicht rechtfertigen.“

Natürlich wird reflexartig der Ruf „Zensur“ ertönen, wenn man Kommentare nicht veröffentlicht oder Nutzer sperrt – und höchste Gefahr für die „Meinungsfreiheit“ beschworen werden. Und natürlich ist jede Kritik, die man äußert, jede Satire, die man schreibt, eine „Beleidigung“ (ein Lieblingswort dieser Spezies). Nein: Der Troll darf ja seine Meinung sagen – nur nicht zum x-ten Mal in Ihrem digitalen „Wohnzimmer“!

„Nicht reagieren. Und wenn es schon passiert ist, nicht mehr reagieren.“

Sich auf Debatten mit einem Troll einzulassen, bringt gar nichts – außer ihm die Befriedigung, dass man reagiert hat: Er wird provozieren, drohen, zigmal dasselbe schreiben und wenn‘s ganz schlecht läuft, wird er euch immer da treffen, wo es euch zu einer Antwort, einer Rechtfertigung oder einfach nur zu einer wüsten Beschimpfung drängt.“  „Don’t feed the troll“ kann helfen – jedoch nicht bei hartnäckigen Exemplaren.

Sagte ich nicht reagieren? Ich meinte nicht direkt reagieren.“

Wenn man den Troll zur Kenntnis nimmt, ist es besser, über ihn statt mit ihm zu sprechen: Schreibt einen Blogeintrag, in dem ihr ihn ruhig oder ironisch und mit etwas arrogantem Interesse an der Spezies des Trolls analysiert.“ Ich kann aus eigener Erfahrung diesen Tipp nur unterstützen: Trolle mögen es gar nicht, wenn man ihre Methoden offenlegt, ohne dass die die Möglichkeit eines direkten Zugriffs haben. Schön, wenn andere in dieses Gespräch einsteigen! In der Minderheit zu sein mag diese Spezies nämlich noch viel weniger…

„Nutzt Technik, Rechtsmittel, Öffentlichkeit.“

Es gibt viele legale Mittel, Trolle zu bekämpfen: Kommentarmoderation, Sperrung, Meldung an den Moderator, die Öffentlichkeit gegen ihn zu mobilisieren, einen Anwalt einzuschalten: Die Menge eurer Unterstützer wird immer größer sein als die Menge von Bekloppten, ihr müsst sie nur rufen. Transparenz wirkt hier wirklich befreiend. Und manchmal muss man einen Wald halt noch mal woanders anzünden, um ein Feuer zu löschen.


Ich kann nur bestätigen: Jens Schulz weiß, wovon er schreibt. Und meine Maßnahme, die Kommentarfunktion zu sperren, passt in diese Logik. Ich werde sie sicher noch länger aufrechterhalten. Es wäre schön, wenn sich meine Leser davon nicht abhalten ließen und mir ihre Anmerkungen per Mail schicken.

Diese Aufforderung gilt nicht für Trolle!

Kommentare

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