„Das ist doch reines Bühnenschach!“
“All the world's a stage,
And all the men and women merely players”
And all the men and women merely players”
(William Shakespeare: „As you like it”)
In
unserer geschlossenen Facebook-Gruppe „Was
Sie schon immer über Tango wissen wollten...“ waren in der letzten Zeit Videos
von Showtänzen zu sehen. Besonders das von Mariano
Otero und Alejandra Heredia löste
heftige Debatten aus, denen ich dann noch einen eigenen Beitrag widmete. Binnen
weniger Tage avancierte der in meinem Blog zum am zweithäufigsten aufgerufenen
Text aller Zeiten!
Letztlich
führen Diskussionen um solche kraftvoll-dynamischen Darbietungen stets zum gleichen
Ergebnis: Die einen jubeln, weil’s so fetzig ist, die anderen maulen gerade
deshalb. Und irgendwann kommt wie auf Knopfdruck der Satz: „Das ist halt reiner Bühnentango.“
Das
versetzt mich jedes Mal erneut ins Grübeln: Ich kenne außer dem Tango keine
andere Branche, wo professionelle
Leistungen kein Maßstab für Amateure sind. Wohl die meisten Torhüter in
deutschen Schülermannschaften wünschen sich, die Bälle wie der Bayern-Keeper Manuel Neuer herauszutauchen, und
Stürmer-Knirpse haben wahrscheinlich Thomas
Müller oder Franck Ribéry im
Sinn, wenn sie Richtung Tor abziehen. Tanzsportbegeisterte zehren von
Vorbildern wie den mehrfachen Profi-Weltmeistern in der Lateinsparte Riccardo Cocchi und Yulia Zagoruychenko,
und von der Sehnsucht, so zu singen wie die Stars, profitieren etliche
Talentshows mit höchsten Einschaltquoten. Und jeder ernsthafte Schachspieler
wird davon träumen, Partien wie die Großmeister Bobby Fischer oder Anatoli Karpow
zu spielen. Vom „reinen Bühnenfußball“ oder „Show-Schach“ habe ich
noch nie gehört…
Klar ist es eindrucksvoll, was selbst auf kleinster Fläche noch geht – und sicher hätte Mark Spitz, der siebenfache Goldmedaillen-Gewinner der Olympischen Spiele 1972, auch in einem aufblasbaren Kinderplanschbecken noch Spektakuläres hinbekommen. Meines Wissens hat man ihn jedoch nie darum gebeten, und er dürfte bei einem solchen Ansinnen wohl am Verstand des Fragestellers gezweifelt haben. Gott sei Dank tanzt er keinen Tango…
Dieser Szene bleibt die Mär vorbehalten, man dürfe gar nie
nicht Ambitionen in olympischem Geiste
entwickeln: „citius, altius, fortius“
– nein: langsam, klein und kraftlos sei die Devise!
Aber trotz aller Meisterschaft ist halt Tennis populärer als Tischtennis...
Aber trotz aller Meisterschaft ist halt Tennis populärer als Tischtennis...
Und könnte ein Tanz, den hier „Los Hermanos Macana“ (Enrique und Guillermo De Fazio) aufs Parkett legen, nicht einmal auch uns Männer animieren, es in guter alter, sogar argentinischer Tradition miteinander zu probieren?
Eine Herausforderung zum Rollenwechsel im Tango bieten hier Alejandra Heredia und Mariano Otero. Ich probiere Solches – auf meinem „Anfängerinnen-Level“ – durchaus einmal gerne, jedoch ohne rote Highheels:
Und was Eduardo
Cappussi und Mariana Flores hier
an „Tango-Kabarett“ bieten, haben wir doch grundsätzlich auch auf echten Milongas
erlebt, oder?
Ich habe speziell bei Cappussi das gelernt,
was ich den „Killer-Instinkt” von
Tangueros nenne – oder, in den Worten eines früheren Tangokollegen, dessen
Tänze dem recht nahe kamen: „Beim Führ’n
derfst dir nix scheiss’n!”
Daher vermag ich leider mit dem oft beschworenen Gegensatz
zwischen „Bühnentango“ und „Tango de Salón“ nicht wirklich etwas
anzufangen. Man kann an solchen Vorbildern, auch als „Otto Normaltänzer“, so viel
lernen: Körperbeherrschung, Technik, Musikalität, klare Signale – und vor
allem, dass man Tango mit einem Augenzwinkern, ja manchmal mit höllischer
Freude am Unfug tanzen darf. Ich habe nie versucht, diesen Meistern
irgendwelche „Figuren“ abzuschauen. Was ich mich aber stets fragte: Mit welcher
tänzerischen Einstellung erreichen
die solche Effekte, einen derartigen Jubel des Publikums? Das hat meine Tango-Entwicklung maßgeblich
beeinflusst.
Wahrlich: Die ganze Welt ist eine Bühne, auch bei der
Dorfmilonga in Hintertupfing! Daher gibt es für mich höchstens einen
Unterschied zwischen den beiden Tangosparten:
„Tango de Salón“ ist
es, wenn man die Hosen nicht verliert!
P.S. Einen sehr lesenswerten Beitrag zu einem ähnlichen
Thema bietet Yokoito derzeit auf
seinem Blog:
https://tangoblogblog.wordpress.com/2017/11/19/call-for-a-caller/
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