Tanzen wie die Lehrer
Die kürzlich besprochenen Videos im Artikel von Jochen Lüders haben mich neugierig gemacht: Eines stammt aus einer sehr ergiebigen Quelle: Eine Tanzschule in Memphis (USA) veröffentlicht solche Szenen massenweise – und für alles, was man auf vier Beinen zur Musik veranstalten kann. Dazu heißt es:
„Es ist kaum zu glauben, dass einige der Akteure nur Studierende und keine professionellen Tänzer sind! Im Blue Suede Ballroom:
- wettbewerbsfähige Preise und eine Vielzahl von Tanzkursen
- hochwertiger professioneller Unterricht“
Na ja, doch: Man sieht schon sehr deutlich, dass die vortanzenden Paare keine Profis sind. Aber das macht ja nichts. Auf jeden Fall befriedigt man sehr geschickt das Bedürfnis der Lernenden, sich mal auf der „großen Showbühne“ zu präsentieren.
Was dabei herauskommt – seufz… Ich hätte vielen der Vorführenden davon abgeraten, sich dem Internet zum Fraß vorwerfen zu lassen. Man muss ihnen aber zugestehen: Sie haben sicherlich alle hart trainiert und sich für den Auftritt (zumindest für den eigenen Geschmack) schick gemacht. Und sie kriegten ihr Lampenfieber in den Griff. Das verdient auf jeden Fall Anerkennung.
Hier eine Cumparsita, die in der Tangoszene sicherlich Schnappatmung verursachen dürfte:
https://www.youtube.com/watch?v=AwfA6cPHd_Y
Ausgefeilter ist da schon die Interpretation des Neotangos „Roxanne“:
https://www.youtube.com/watch?v=vbgNbi3fA98
Etwas rustikaler geht es dann bei diesem Tango zu:
https://www.youtube.com/watch?v=GyY5ISKL3_Y
Und immerhin traut man sich sogar an Piazzollas „Libertango“:
https://www.youtube.com/watch?v=TTi32rLyj5I
Klar kann man zu all den Beispielen (und vielen anderen) eine bissige Satire verfassen, Schenkelklopfer raushauen. Ob das sehr fair wäre, bezweifle ich. Dennoch entsteht auch bei mir das Gefühl, dass da irgendwas nicht passt.
Bei all dem, was die Paare da auf dem Parkett treiben, sehe ich nicht sie, sondern ihre Tanzlehrer: Sie tanzen irgendwie „fremdgesteuert“, vollführen die Choreografie, welche diese ihnen beigebracht haben. Dass ihnen die weniger gut gelingt als ihren Instruktoren, ist erwartbar.
Tanzen ist halt mehr als das Nachmachen von Schritten. In der Theorie behaupten viele Lehrende zwar, dass dies zutreffe – ja geradezu der Inbegriff der Bewegung auf dem Parkett sei. In der Praxis ist davon wenig zu sehen. Warum lässt man Paare nicht auch mal wirklich frei zur gebotenen Musik improvisieren – und schaut, was sich dabei ergibt? Ohne dabei sofort wieder das schreckliche „Richtig-Falsch-Muster“ draufzudrücken.
Sicher, die Schülerinnen und Schüler sind daran nicht unschuldig, weil sie regelmäßig wissen wollen, ob ein Schritt so „richtig“ sei. Klar, so hat man es ja in der Schule gelernt… Man muss aber beim Tanzen als Freizeitbeschäftigung weder eine Prüfung noch gar ein Abitur bestehen.
Niemand behauptet, dass echte Improvisation einfach wäre. Aber so entstünden aus schlechten Kopien interessante, authentische Originale!
Gerhard,
AntwortenLöschendein Vorschlag, man hätte diese Paare improvisieren lassen sollen, ist wirklich atemberaubend – an Realitätsferne. Diese Tänzer improvisieren zu lassen, wäre wie Erstklässler ohne Schwimmflügel ins offene Meer zu werfen. Wer so etwas fordert, hat vom Wesen des Tangos offensichtlich nicht den blassesten Schimmer. Dein Text beweist eindrucksvoll: Große Töne sind keine Garantie für Ahnung. Jetzt verstehe ich auch, warum Dich so viele Leser in Bezug auf Tango-Tanz für einen Ignoranten halten.
Liebe Grüße
H.J. Hiskemann
Lieber H.J.Hiskemann,
Löschenwer derartig große Töne spucken muss, wird dafür seine Gründe haben…
Statt von Schwimmflügeln zu fantasieren, empfehle ich, meinen Text nochmal genau zu lesen: Ich habe nicht diesen speziellen Paaren einen Rat gegeben, sondern allgemeine Vorschläge gemacht.
Mag ja sein, dass Ihnen Improvisation fernliegt – aber das ist Ihr persönliches Problem.
Und wer wen für einen Ignoranten hält, überlassen wir mal schön den Lesenden.
Nur ist Ihr Tonfall nicht dazu geeignet, hier noch weiter zu kommentieren. Ich empfehle daher, großmäulige Sprüche woanders unterzubringen.
Beste Grüße
Gerhard Riedl
Herr Riedl,
AntwortenLöschenich habe genau den richtigen Tanzstil für sie gefunden, der keinen der in ihren letzten Beiträgen arg kritisierten Punkte aufweist.
* Ein Orchester (mit Bandoneon) spielt etwas anderes als die von Ihnen als langweilig abgetanen Stücke.
* Frauen müssen nicht mehr oben herum luftig gekleidet sein, um zum Tanzen zu kommen.
* Kein Aufforderung mehr mit Cabeco und Mirada
* Keine elitäre Gruppenbildung. Stattdessen tanzt jeder mit jeder.
* Ein echtes Gemeinschaftserlebnis ohne "elitäre" Tangolehrer.
* Jung und Alt gut durchmischt.
* Qualmende Socken!
Und ich gehe davon aus, dass sie sich auf dieser Tanzfläche "wie daheim" fühlen und deshalb zum gezeigten Vals am liebsten den Tanzboden stürmen würden.
https://www.youtube.com/watch?v=xqpfhDOWPH4&t=148s
MfG
Hermann v. Zitzewitz
Lieber Herr von Zitzewitz,
Löschenda haben Sie meine Intentionen doch schon ganz gut verstanden – gratuliere!
Allerdings sind Formationstänze nicht so mein Ding – egal, woher sie stammen. Aber die Gruppe macht das doch ganz gut – da sieht man auf Milongas oft Schlimmeres.
Ob Sie überhaupt tanzen können, weiß ich leider nicht. Aber wenn, sollte Ihnen dieser Volkstanz aus Ihrer Heimat gefallen:
https://www.youtube.com/watch?v=5cBZh1_kDoE
Viel Spaß dabei!
Gerhard Riedl