Gefahr ab Mitternacht
Beim Bloggen lernt man immer wieder dazu. Man muss nur bereit sein, unmöglich Erscheinendes nicht von vornherein auszuschließen!
Meine Seite wird ja phasenweise von Beschimpfungen nicht verschont, die aber glücklicherweise oft ein, zwei Zeilen nicht überschreiten. Die geistige Produktivität hält sich also in Grenzen.
Was ich zunächst für Zufall hielt, hat nun aber die Langzeit-Überprüfung bestanden: Kommentare aus der Kategorie „einmal hingerotzt“ kriege ich fast ausschließlich ab Mitternacht. Besonders gefährlich ist die Zeit bis zwei Uhr morgens, danach scheinen auch die schlimmsten Hetzer ermattet ins Plumeau zu sinken.
Doch was steigert ab null Uhr den Aggressionstrieb? Da könnten diverse Faktoren eine Rolle spielen:
Vielleicht hat man ja vorher eine Milonga besucht und es nicht geschafft, ersehnte Vertreterinnen des Tango-Weibsvolks aufs Parkett zu locken. Oder gab es nicht den ersehnten Traumtanz, sondern stattdessen Albtraum-Turnen? War die Begleiterin sauer, weil man ihr zu wenig Beachtung schenkte? Oder hat der DJ zwischendurch moderne Tangos aufgelegt?
Vielleicht fiel aber hinterher auch das Nachtmahl, welches die verpartnerte Gynökologin auftischte, ebenso fleischlos aus wie die aktuellen Tangoerlebnisse. Oder war kein Bier mehr im Kühlschrank?
Reichen die Medikamente nicht?
Oder – schlimmste aller Möglichkeiten – hat einen nachher im Bett die hauseigene Tussi nicht rangelassen? Also flächendeckende Fleischlosigkeit?
Dann blieb wohl die letzte Möglichkeit, statt dieser die Tastatur zu befingern und sich am Tango-Hassobjekt Nummer eins abzuarbeiten!
Dass es bei solchen Affekten nicht um das geht, was ich schreibe, war mir schon lange klar. Aber es dreht sich nicht mal um meine Person. Man benötigt halt einen Blitzableiter zur Aggressions-Abfuhr. Und man kann ja nicht ins Internet schreiben, was einen tatsächlich nervt. Dann also lieber Riedl… oder Piazzolla.
Meine Lösung ist zwar ein bisschen aufwendig, aber ziemlich wirkungsvoll: Ab dem späteren Abend stelle ich die Kommentarfunktion so um, dass man ein Google-Konto benötigt. Und dazu sind fast alle, denen der Sinn nach hetzenden Äußerungen steht, schlicht zu doof. Dann ist nachts weitgehend Ruhe. Ab dem Frühstück wird dann meist wieder für alle geöffnet.
Damit konnte ich die Frequenz von Hasskommentaren um fast 90 Prozent senken!
Nun weiß ich auch, wieso der englische Ausdruck „lunatic“ („Verrückter“, „Irrer“) auf den Mond (lateinisch „luna“) hinweist: Sobald dieser uns mit seinem fahlen Licht bescheint, steigt nicht nur die Lust aufs Tangotanzen, sondern auch der Drang, seinen ansonsten verheimlichten Hang zum Wahnsinn auszuleben.
Dass ein Verein in unserer Gegend sich „Tango Luna“ nennt, mag Zufall sein:
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