Partner-Los?


Ich bekomme stets die Suchbegriffe angezeigt, mit denen man auf mein Tangoblog gestoßen ist. Hierbei stelle ich immer wieder fest: Geschlechter-Beziehungen sind das Thema Nummer eins. Gestern fand ich folgende (rechtschreibkorrigierte) Frage:

„Ich möchte tanzen lernen, habe aber keinen Partner. Was tun?“

Vermutlich hat das eine Frau gefragt – erstens sowieso und zweitens, da ein Mann sicherlich „Partnerin“ geschrieben hätte.

Obwohl ich mich zu solchen Fragen schon öfters geäußert habe, möchte ich die Gelegenheit nutzen, darauf einmal umfassend zu antworten:

***
Werte Dame,

wenn Sie tanzen lernen möchten, dann gibt es ein sehr simples Rezept:
Tun Sie es einfach! Mit oder besser ohne Partner.

Ob Sie mit Ihrem Hilferuf den Tango gemeint haben, weiß ich allerdings nicht sicher – aber da Sie damit auf einer Tangoseite gelandet sind, könnte ich es mir vorstellen. Dann erst recht!

Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob Sie mit „Partner“ wirklich einen auf dem Parkett gemeint haben. Sollten Sie nämlich an einen Lebenspartner denken, müsste ich schon mal den Illusions-Schredder einschalten: Vergessen Sie’s!

Ich habe es in zwanzig Jahren Tango weniger als fünfmal erlebt, dass sich eine dauerhafte, glückliche Beziehung auch außerhalb der Tanzfläche entwickelt hat. Die Zahl der Singles ist in diesem Tanz zwar relativ hoch – aber es handelt sich vorwiegend um Menschen, welche trotz fortgeschrittenen Alters zwar die eine oder andere Trennung, aber keine wirklich stabile Partnerschaft hinbekommen haben. Da sollte es ausgerechnet mit Ihnen klappen? Träumen Sie weiter!

Ein Trost: Selbst wenn Sie einen Lebensabschnitts-Gefährten Ihr eigen nennen würden, wäre es recht unwahrscheinlich, dass er Ihnen langfristig aufs Parkett folgte. Was die Schreiberin auf einem Partnerschaftsforum ausdrückte, gilt leider für die Mehrzahl der Männer:   

„Als ich noch jung war, hat man sich in der Tanzschule oder in der Disco kennengelernt.
Aber ich bin mir sicher, auch damals war der einzige Grund, warum ein Mann dort hinging, dass er auf der Suche nach einer Frau war.
Hatte ich dann einen Mann kennengelernt, war es aus mit dem Tanzen, denn Männer scheinen allgemein Tanzmuffel zu sein.“

Damit wir uns nicht missverstehen: Möglicherweise wird Ihr Schnucki in der Anwärmphase der Beziehung zu einem Tanzlehrgang bereit sein – er würde an der Volkshochschule auch einen Chinesisch-Kurs belegen, damit Sie ihn ranlassen. Allerdings vertragen die wenigsten Partnerschaften mittelfristig den Transfer vom Bett aufs Parkett! Spätestens wenn Sie dann von anderen Tänzern aufgefordert werden, er sich aber Entsprechendes nicht traut, wird er zumindest verlangen, dass Sie nur noch mit ihm tanzen. Auch wenn Sie ihm diesen Wunsch erfüllen, dürfte sein Genöle zunehmen. Wahrscheinlich kommt bei ihm bald auch ein verstauchter Fuß oder gar ein Meniskusschaden hinzu. 

Sollten Sie dann auf die an sich gute Idee verfallen, ohne Ihren Männe zum Tanzen zu gehen, wird er vermutlich alles tun, es Ihnen zu vermiesen. Die Herren verfügen hierzu über differenzierte Stilmittel, die man ihnen gar nicht zutraut: Sind Sie sicher, dass Sie mit „Ihrem“ Haushalt klarkommen, obwohl Sie einmal pro Woche beim Tango sind? Ihre Kinder ausreichend versorgen? Sich um die Schwiegereltern kümmern? Wobei Ihr Gatte dreimal wöchentlich zum Fußballtraining oder Stammtisch geht und diese Termine sich plötzlich mit den Tanzabenden überschneiden?

Manches Partner-Los ist schwerer zu ertragen als Partnerlosigkeit!

Daher, liebe Fragestellerin, seien Sie doch froh, wenn Sie keinen Partner haben – zumindest auf dem Parkett! Beim Tango tummelt sich nämlich durchaus eine Minderheit von Männern, denen Tanzen über alles geht. Wenn Sie sich kontaktfreudig und offen geben, werden Sie mit der Zeit oft genug auf dem Parkett aktiv sein können – anfängliche „Durststrecken“ inbegriffen.

Da müssen Sie schon mal die Typen aussortieren, welche allzu belehrend daherkommen oder Sie vor allem befummeln wollen. Trösten Sie sich: Da geht Ihnen nichts Wertvolles verloren! Was immer solche Jungs können mögen: Tanzen gehört meist nicht dazu.

Allerdings müssen Sie auch selber „tanzverrückt“ genug sein! Die Mehrzahl der besseren Tänzer begreift sich nämlich nicht direkt als karitative Einrichtung – also üben, üben und nochmals üben! Glauben Sie nicht, Sie könnten Tango, nur weil ein Routinier Sie kunstvoll übers Parkett bewegt. Nein: Er kann tanzen, Sie nicht. Es wirkt nur so!

Was Sie konkret tun können? Sortieren Sie als Erstes alle Tangoschulen aus, welche „Unterricht nur paarweise“ anbieten. Man ist dort lediglich zu faul, sich um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu kümmern. Der Verdacht ist also groß, dass die beste Bewegung, welche solche Lehrenden beherrschen, das Aufhalten der Hand ist…

Die etwas besseren Institute versuchen zumindest, Ihnen einen Tanzpartner zu vermitteln – oft einen Herrn aus höheren Kursen. Noch empfehlenswerter, jedoch ziemlich selten sind Tangolehrer, für welche die Geschlechter-Zusammensetzung keine Rolle spielt: Die tanzen nämlich selber viel mit ihren Schülern, lassen in den Stunden oft wechseln und lehren manchmal sogar beide Rollen. So war das früher im Mutterland des Tango: Junge Mädchen lernten ebenso das Führen wie die Kerle das Folgen.

Viele Tangolehrer bieten neben dem Unterricht auch Übungsstunden (Practicas) an, wo es meist legerer zugeht. Mit einer aktiven Einstellung sollten Sie dort genügend zum Tanzen kommen. Manchmal gibt es auch private Übungsgruppen. Und wenn gar nichts hilft: Nehmen Sie Einzelstunden! Die sind zwar fünfmal so teuer, aber auch zehnmal so wirksam wie normale Kurse.

Sie dürfen auffordern, in welcher netten Weise auch immer – obwohl das manchen Ewiggestrigen im Tango nicht gefällt! Die sollten Sie ebenfalls aussortieren. Oder wollen Sie mit Quastenflossern über die Fortschritte der Evolution diskutieren?

Vor allem aber: Viele technische Fertigkeiten können Sie daheim lernen – ganz alleine im Wohnzimmer. Legen Sie Ihre Lieblings-Musik auf und üben Sie Balance, Fußbelastung, Ochos – was immer Sie im Kurs gelernt haben. Dass dann kein Mann dabei ist, der es besser weiß, müssen Sie verkraften.

Vielleicht merken Sie bei dem Ganzen, dass Ihr eigentliches Problem die fehlende Körperbeherrschung ist. Dann würde es Ihnen wahrscheinlich mehr helfen, zunächst einen Gymnastikkurs oder ein Fitness-Studio zu besuchen!     

Wenn man die Biografien exzellenter Tänzer/innen betrachtet, so fällt meist eines auf: Die waren von Kindheit an völlig vom Tanzen fasziniert und haben alles getan, um diese Leidenschaft zu verwirklichen. Probleme waren dazu da, überwunden zu werden. Wenn Sie also erst im relativ gesetzten Alter meinen, unbedingt tanzen lernen zu wollen, sollten Sie sich ehrlich fragen: Wieso erst jetzt? Und: Wie groß ist mein Wunsch tatsächlich?

Könnte es nicht sein, dass es Ihnen eher darum geht, sich mal schick zu machen, abends etwas zu unternehmen, unter Leute zu kommen, neue Kontakte zu finden, das Leben spannender zu machen? Und Tango ist ja derzeit ziemlich angesagt, fördert angeblich sogar die Gesundheit…

Diese Motivation ist natürlich völlig in Ordnung, nur: Dann dürfen Sie halt keine Wunder erwarten. Vielleicht wäre es in dem Fall besser, erstmal in einer Kontaktbörse einen Herrn zu finden, der Parkettaktivitäten zumindest nicht ganz ausschließt?

Und wenn nicht: Es gibt genügend Hobbys, bei denen man zwar mit Menschen zusammenkommt, aber nicht zwingend einen Partner braucht. Versuchen Sie es doch damit – mir persönlich (und einigen anderen passionierten Tanzenden) würden Sie damit einen großen Gefallen tun: Wir suchen auf den Milongas nämlich „Tanzverrückte“ und nicht Leute, die es „eigentlich vielleicht schon einmal mit dem Tango probieren“ möchten.

Uns fehlt so nämlich das Wichtigste, was wir beim Tanzen suchen: Leidenschaft.
 
Mit den besten Wünschen
Ihr Gerhard Riedl

***

P.S. Ich habe vorgestern bei „Let‘s dance“ den Auftritt von Ilka Bessin („Cindy aus Marzahn“) angesehen. Auf Thomas Kröters FB-Seite fand ich nun das zugehörige Video. Natürlich war beim Tangovolk das Entsetzen über diese Performance groß. Na, dann kehrt mal weiter vor fremden Türen…

Ich sehe das anders: Sicher – die Komikerin ist übergewichtig und bringt das Bewegungsrepertoire eines angeschossenen Walrosses mit. Dass sie sich dennoch einem solchen Wettbewerb stellt, sollte für manche Frauen im Tango ein leuchtendes Vorbild sein!.

Und noch eins: Was die Tanztrainer und Partner dennoch in ziemlich kurzer Zeit hinbekommen haben, ist dennoch erstaunlich. Vielleicht mal so als Tipp für die Tangolehrer: So effektiv kann guter Unterricht sein!

https://www.rtl.de/cms/let-s-dance-2020-ilka-bessin-und-sabrina-setlur-ernten-standing-ovations-4491850.html
 

Kommentare

  1. "Tangobeziehungen" gehen nach meiner Erfahrung auch besser andersrum: man lernt sich beim Tango kennen und entdeckt Gemeinsamkeiten auch für ausserhalb des Tangos.

    Das grosse Missverständnis, das m.M.n. von den "Welttanzprogramm-Tanzschulen" herrührt, ist dieses Konzept "fester Tanzpartner" (mit dem man gemeinsam lernt und auf Bällen oder Tanzabenden nur gemeinsam tanzt, weil jemand anderes die einem bekannten Figuren nicht kennt oder so), welches in den Köpfen herumspukt. Für den Tango (aber ich glaube auch für Salsa und andere Tanzstile abseits der Tanzschule) ist das absolut kontraproduktiv.

    Und PS: dein Tipp, dass man sich schon erstmal selbst darüber klar werden sollte, was man will (zu wissen, was man NICHT(!) will, ist zwar hilfreich, aber leider nicht ausreichend ;-) ), ist gut und sinnvoll (übrigens auch für Männer ...)

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    1. Unbedingt!
      Übrigens ist das "Paarprinzip" letztlich auch beim Welttanzprogramm nicht wirklich zielführend. Wenn wir heute nochmal die Standardtänze lernen würden, kämen für uns nur Lehrer in Frage, die uns mehr vermitteln als feste "Figuren" - nämlich halt die gegenseitige Verständigung und Variation auch mit einem fremden Tanzpartner.

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