Die Beratungs-Resistenten
„Intelligenz
ist die Fähigkeit, seine Umgebung zu akzeptieren.“
(William
Faulkner)
Wenn
es beim Tango mit einem bestimmten Partner
nicht klappen will (oder gar mit
mehreren / allen), bietet das weltweite Netz schier unendliche Möglichkeiten,
sein Leid zu klagen. Da es bei
diesem Thema von Experten nur so
wimmelt, erhält man meist eine Fülle technischer Ratschläge nebst Empfehlungen
geeigneter Unterrichtsanbieter.
Ich
bezweifle nicht, dass dies öfters hilfreich
sein kann – ähnlich oft jedoch nützt es gar
nichts. Warum?
Für
mich beginnen die Schwierigkeiten
bereits bei der Aussage, jeder und jede
könne Tango lernen. Ganz falsch ist
das natürlich nicht, aber es wird kaum bedacht, dass dies keine Aussage über
den jemals zu erreichenden Level
darstellt. Und der ist je nach tänzerischer
Begabung höchst unterschiedlich! Es geht also nicht nur, wie oft vermutet,
um unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten,
sondern um maximal zu erlangende Niveaus.
Und um als Biologe noch mehr Wasser in den Tangowein zu gießen: Bei optimalen Lernbedingungen (die wir im
Tango glücklicherweise nicht haben) wären die unterschiedlichen Leistungen ausschließlich von der genetischen Disposition (sprich der
„Begabung“) bestimmt.
Dass beim Unterricht die Schüler meist auf den einen, allein selig machenden Tanzstil der Lehrenden dressiert werden, verschärft noch die Unterschiede.
Dass beim Unterricht die Schüler meist auf den einen, allein selig machenden Tanzstil der Lehrenden dressiert werden, verschärft noch die Unterschiede.
Es
gibt einfach Menschen, die über ein „tänzerisches
Körpergefühl“ verfügen – und andere, deren Bewegungen (nicht nur in
Augsburg) von den Spielern der „Puppenkiste“
gesteuert scheinen – und selbige Marionetten
agieren bekanntlich über Fäden, welche eher am Ende der Körpervorsprünge
befestigt sind.
Und
es gibt Leute, welche die „Musik im
Blut“ haben – und andere, die lediglich ein Geräusch oder bestenfalls einen Rhythmus hören. Ich bin sogar schon an studierten Musikern
zerschellt, die mir bei Tangos – mit der Partitur
wedelnd – mit Viertelpausen kamen
oder die Schlagzahl pro Minute auf ihrem Metronom
einstellten. Kein Zweifel, so entsteht vorschriftsmäßige, tangoähnliche Musik. Das, was meine Seele in Schwingungen versetzt,
jedoch nicht…
Schlimmer
noch finde ich die nicht selten anzutreffende Beratungsresistenz. Da fängt jemand mit dem Tango an, und ich weiß
bereits bei Kenntnis des Lernenden sowie der Wahl des Tangolehrers:
Das wird nix. Und wieso gerade der? Na klar, weil er der bekannteste ist, da
gehen doch alle hin… oder der Unterricht ist entfernungsmäßig der
nächstliegende. Nach einiger Zeit höre ich dann die Klagen: Man komme im Tango nicht recht weiter – bei Frauen gerne
garniert mit dem bekannten Lamento, nicht genug aufgefordert zu werden. Ob ich denn nicht einen guten Rat hätte?
Ja,
habe ich schon, aber der ist teuer: Endlich diese Nulpe von Tanzpädagogen in
den Wind schießen und sich gescheite
Instruktionen holen – auch wenn das mit weiteren Fahrtstrecken verbunden ist. Milongas besuchen, wo Arroganz nicht die Primärtugend ist und
man vielfältige Musik bietet (was
den Aktionsradius noch weiter erhöht) – und in Privatstunden investieren statt beim synchronen Beinchenheben in
der Gruppe verharren. Oder gar im Extremfall ganz auf das zertifizierte
Lehrpersonal verzichten und sich mit Gleichgesinnten
privat treffen, um zu üben.
Da
man bei Lob ja nicht anonymisieren muss: Regional empfehle ich dann als Lehrer
stets Sonja Armisén aus München und Alfredo Foulkes in Gröbenzell. Warum?
Weil ich öfters mit deren Schülern tanze und weiß, was sie können. Ich fürchte
jedoch, die beiden haben bisher kaum von meinen Empfehlungen profitiert: Zu weit weg, die Termine passen nicht, und
Einzelunterricht ist zu teuer. Zur Organisation einer privaten Übungsmöglichkeit
gebricht es an Initiative, und man rennt weiter zu den großen, angesagten
Veranstaltungen in der trügerischen Erwartung, dort sei die Auswahl der
Tanzpartner größer. Und die Frau würde ja gern mit anderen Männern tanzen, aber der Herr Gemahl traut sich Gleiches nicht...
Tja,
dann halt nicht, liebe Leute… Bin
ich für das Glück von Menschen verantwortlich, die selber keinen Funken Mut aufbringen und nicht einen einzigen Schweißtropfen vergießen
wollen? Die Biografien von
Tanzenden, welche wirklich ihren eigenen,
faszinierenden Tangostil entwickelt haben, gleichen sich oft frappierend: Mehrheitlich
haben die alles Mögliche ausprobiert,
sich jedoch keinesfalls gescheut, umgehend wieder die Flucht anzutreten, wenn
ihnen ein Unterrichtsstil nicht behagte – wobei ihnen „berühmte Namen“ am
Hintern vorbei gingen. Und vor allem: Keine Milonga und kein Experiment war vor
ihnen sicher – auch nicht mit verrücktester
Musik und abgedrehten Tanzstilen.
„Regeln“ waren ihnen ein Fremdwort.
Als
Tänzer ist mir speziell eine Form weiblicher
Therapieresistenz bestens vertraut: Entweder sie hängt an mir wie „die Katz am Presssack“ oder sie
stolziert in bester Rückenlage vor mir her – bloß kein Körperkontakt! Aus
Erfahrung weiß ich: Ratschläge kann
ich mir sparen – obwohl ich von dieser Spezies öfter darum gebeten werde. Wenn
ich es ausnahmsweise doch einmal versuche, sehe ich schon am Silberblick: Nein, kann nicht stimmen,
hat der Tangolehrer ja ganz anders erklärt…
Anstatt
mich zu ärgern, delektiere ich mich in solchen Situationen an einer Geschichte, bei der ich jüngst
beteiligt war. Auf einer Milonga, bei welcher aus bestimmten Gründen auch viele
Tango-Laien anwesend waren, nützte
ich die Gelegenheit, mit einer Tangofreundin einige Runden zu drehen – und dank der
animierenden Musik gerieten wir in einen ziemlichen Flow. Nachher fragte ein weiblicher Gast meine Tanzpartnerin: „Sie haben ja so toll getanzt – sind Sie
Argentinierin?“ „Noi, i bin aus Augschburg.“ „Aber dann doch Tangolehrerin?“ Nein,
auch das nicht – und den letzten Kurs oder „Workshop“ hat sie schätzungsweise
vor 10 Jahren von innen gesehen.
Daher
weiß ich: Sollten Beratungs-Resistente
jemals einen Tipp annehmen, dann garantiert nicht von Menschen wie meiner
Tangofreundin und mir. Da fehlt praktisch alles: Zertifizierung, Abstammung und
andere allfällige Tango-Insignien. Und wir waren beide noch nicht mal in Buenos
Aires…
Folglich
melde ich mich auch nicht per Internet-Anfrage,
wenn es mit einer Tänzerin so gar nicht
klappt, und hoffe auf tolle, weiterführende Tipps. Soll doch jeder machen,
was er will – es gibt halt tänzerische Unvereinbarkeiten, die
kannst du nicht auflösen. Und es bringt auch überhaupt nichts, über „Schuldfragen“ zu debattieren. In
meinem Alter möchte ich nur keine Lebenszeit
damit verschwenden, Menschen immer wieder die Tür zu zeigen, wenn sie wild entschlossen sind, es lieber mit der Wand zu versuchen.
Und
ich werde ausgebildeten Musikern nicht mit meinen Vorschlägen zur
Interpretation eines Stückes kommen: Studium kontra Bauchgefühl – da steht der
Sieger von vornherein fest…
P.S. Nach diversen Erfahrungen bin ich gespannt, wie lange dieses Video noch verfügbar bleibt...
Hier ein Kommentar von Monika Herz:
AntwortenLöschenGelesen und nach meinen Erfahrungen für gut und richtig erachtet. Technik kann man lernen, aber: „Nur mit dem Herzen tanzt man gut!"
Vielen Dank! Ja, so sehe ich den Unterschied auch.
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