Man gönnt sich ja Soest nicht


Heute erreichte mich einer der üblichen Tangoveranstalter-Newsletter. Ich bitte herzlich um Verständnis, dass ich hier nicht die übliche Verschleierung der konkreten Namen betreiben kann – das satirische Potenzial des Briefleins könnte sonst nicht annähernd ausgeschöpft werden!

Also: Veranstalter ist der „El Matadero Tango Club Soest e.V.“ – klingt schon mal spannend spanisch, heißt auf Deutsch jedoch schlicht „der Schlachthof“. Huch, warum so martialisch? Und zum Schlachten von Tangoklischees tritt man dort jedenfalls nicht an:

Eingeladen wird zum „Tango Festivalito Soest“ – schon das eine herrliche Verquickung von Überseeischem mit dem Städtchen im NRW-Regierungsbezirk Arnsberg, das bisher eher durch Gewichtheber auf sich aufmerksam machte, in dem noch Bürgermeister namens Brüseke oder Ruthemeyer regieren und das gesellschaftliche Leben wohl von Schützenfesten dominiert wird:


Da muss man dann natürlich die Latino-Paste besonders dick aufstreichen, schon mal mittels eines argentinischen Lehrer- und Vortanzpaars: Liliana Tolomei y Santiago León heißen die beiden. Näher vorgestellt werden sie zwar nicht – aber meine Youtube-Recherche ergab, dass man wohl auf schnelleres oder fantasievolleres Tanzen nicht hoffen darf – eher auf die übliche, EdO-mäßige Imponier-Schleicherei, hier durch Grammofon und musikunterlegte Tanzschnipsel demonstriert:



Ebenso wenig erfahren wir über die Musikrichtung des „Hamburg Tango Quintet“, wobei man hier (wegen des fehlenden „t“) wohl ins Denglische wechseln muss, also „Hämbörg Tängo Quintet“. Dazu ergaben meine Nachforschungen, was ich schon ahnte: Nette Coverband, welche die alten Sachen rauschfrei und fast so schön wie früher darbietet. Selbst bei den Milongas ist Übereilung nicht zu befürchten. Moderner Tango? Nicht direkt…



Weiterhin bleiben wir von Andeutungen verschont, was DJane „Maitena“ denn so auflegt – aus der Ankündigung erfahren wir lediglich, dass sie Kopfhörer besitzt:


Aber aus dem Hintergrund ist zu vermuten, dass es ein reinrassiges EdO-Programm sein wird. Schließlich lesen wir auf der Website des Vereins zur Geschichte des Tango:

„Den Garaus machten ihm allerdings weder misstrauische Diktatoren noch hungernde Massen, sondern die amerikanische Unkultur der Popmusik. Es war „hipp“ in Buenos Aires, Rock oder Pop zu tanzen; Tango war etwas für alte Zöpfe.“

Genau – das Yeah, yeah, yeah hatte ja schon Walter Ulbricht massiv gestört…

Und „Musiker wie Astor Piazzolla, die den Tango mit modernem Jazz verbanden und ihn konzertant, aber untanzbar machten“ trugen ganz bestimmt nicht zu dessen Rettung bei… schließlich wurde das „Tangofieber“ im Europa der 1980-er Jahre durch die Wiederentdeckung der alten Schellacks erzeugt!


Immerhin ergaben meine Nachforschungen, dass DJane „Maitena“ auf den bürgerlichen Namen Sabine Metro-Beushausen hört. Alzo ährlich, dat kannze nich erfinden…  

Aber immerhin: „Ohne Musik geht nichts im Tango – und deswegen sind auch Figuren und Schritte belanglos. Es wird ohnedies so gut wie alles improvisiert.“

Genau aus dem Grund bieten die argentinischen Gastlehrer auch gleich fünf Lehrveranstaltungen an:

Curso I – Curso básico para principantes
Curso II – Tango de Salon
Curso III –  Giros
Curso IV –  Enrosques
Curso V –  Ladies Movements / Ladies only”

Gerade Anfängern ist es natürlich zumutbar, zu wissen, dass sie „principantes” sind, während man beim Angebot V dann sicherheitshalber ins Englische wechselt – nicht, dass da Männer kommen! Wahrlich: Dies Pentagramma macht mir Pein!

Ein Muss ist natürlich beim ehemaligen Tanz der Unterschicht der „wundervolle Festsaal“, der ebenfalls in der Einladung gezeigt wird. Na gut, erinnert mich eher an den Seminarraum einer Kreissparkasse, aber da kommen sicher noch die roten Lichterketten hin…

Haben wir was vergessen? Ach ja, für den obligatorischen Schuh- und Fummelverkauf zeichnet Paloma Chamrai verantwortlich. Zum Glück heißt sie wohl wirklich so… Und Cabeceo-Workshops sind ja derzeit wieder aus der Mode – sonst hätt’s sicher einen gegeben!

Damit wäre das Standardprogramm eines heutigen Tangofests modellhaft erfüllt. Von Kreativität oder persönlicher Note selbstredend keine Spur.

Ein absolutes Positivum sei zum Schluss nicht verschwiegen: Die Einladung enthält genaue Hinweise zu den Parkmöglichkeiten. Bei Milonga-Newslettern wahrlich keine Selbstverständlichkeit! Dennoch werde ich mir die über 500 km Anfahrt nach Soest nicht gönnen.

Wahrscheinlich erhalte ich nun Nachrichten des Inhalts, die dortigen Aktivisten seien doch so nett und hätten es keinesfalls verdient, von mir derartig verblödelt zu werden. Glaube ich alles gerne – und gestehe, schon oft ähnliche Mitteilungen anderer Organisatoren erhalten zu haben. Aber irgendwann ist es einmal genug – und wenn man dann noch das Pech hat, mit meiner morgendlichen Destrudo zu kollidieren…

Nein, im Ernst: Organisiert doch gerne eure Festivals und -itos, Marathons oder Megabälle, wie ihr lustig seid! Aber bietet den Kunden anstatt hispanisiertem Gedöns klare und sachliche Informationen, was auf sie wartet. Gerade im traditionellen Tangobereich wird ständig die Musik als das Allerwichtigste hingestellt. Dann möchte ich hierzu aber mehr Informationen als das Foto des DJs oder der Band. Und das pädagogische Konzept des Lehrpersonals sollte man ebenfalls nicht geheim halten (falls sie eines haben).

Okay? Dann bleiben wir auch weiterhin Freunde!

Und kümmert euch um einen ordentlichen Web-Auftritt – dann passiert es nicht, dass auf den Titel „Tango warum?“ eine leere Seite folgt!

https://www.tangoinsoest.de/wordpress/?page_id=501

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