Es merkelt im Tango



„Es lohnt sich, zur Wahl zu gehen. Sagt, dass ihr hier wart, erzählt es weiter, ob man zustimmt oder nicht, aber reanimiert die Politik im Land, die Schlafwagenpolitik, über nichts zu diskutieren. Ich bin an der Grenze meiner Belastbarkeit, ich muss meine Positionen vortragen und die von Angela Merkel, das geht nicht, die muss schon ihre Positionen selbst vertreten.“
(Martin Schulz: Wahlkampfrede in Böblingen, 13.9.17)

Wie erwartet konnte auch ich die Tango-VIPs in diesem Land nicht zu einer Diskussion bewegen. Mein „Offener Brief an die Tangoveranstalter“ wurde zwar sehr häufig, aber fast stumm gelesen. Lediglich eine bekannte DJane und Milonga-Gastgeberin attestierte mir auf „Facebook“ ein „GR-zentrisches Weltbild“: Aber nicht alles, was Veranstalter machen, deren Veranstaltungen du nicht besuchst, geschieht wegen deiner Texte, und auch nicht trotz deiner Texte.

Man darf sich anhand meines Blogbeitrags gerne überzeugen: Nicht entfernt habe ich behauptet, alle Aktivitäten aus dieser Ecke hätten einen Bezug zu meinen Texten. Aber den Gegner mal schnell mit einem Zweizeiler abfertigen reicht halt. Damit gewinnt man Wahlen, während der Herausforderer schon in den Umfragen abstürzt.

Ein einziges Mal hat sich die Dame, angetrieben von einem in AfD-Manier gegen mich pöbelnden Mob, auf so etwas wie eine inhaltliche Debatte mit mir eingelassen – als ich es wagte, einen „Cabeceo-Workshop“ von ihr zu verblödeln:

Diese Auseinandersetzung katapultierte mein Blog auf bis dato ungeahnte Zugriffszahlen, von denen es sich nie mehr „erholte“ – im Gegenteil! Und von solcherlei Einführungsveranstaltungen ins ritualisierte Betragen hört man schon lange nichts mehr. Daher war ich mit schon damals sicher: Auf ein zweites Duell mit mir wird sich Mutti nicht einlassen.

Dabei gäbe es Themen genug. Einige davon habe ich in meinem „Offenen Brief“ angesprochen:

·         Wieso scheuen sich traditionelle Veranstalter und DJs derartig, ihr Musikangebot näher zu beschreiben – ja gar die Vorlieben aller Gäste zu berücksichtigen?
·         Warum legt man Ansprüche zum Verhalten auf Milongas nicht genauer dar und begründet sie realistisch?
·         Wie steht man zu den immer wieder geäußerten Klagen gerade weiblicher Besucher über Missachtung und Cliquenwirtschaft? Gedenkt man dagegen etwas zu unternehmen – und, wenn ja, was?

Anlässe hierfür gäbe es genug. So schreibt eine meiner Leserinnen auf Facebook:

„Ich liebe Ihre Artikel, denn sie sprechen mir aus dem Herzen, doch leider wollen auch viele Tänzer und Tänzerinnen nichts Neues hören; also ich komme ja aus (…) und werd‘ auf den Milongas immer blöd angeguckt, wenn ich mal was Modernes vom DJ erwarte – wohlgemerkt  erwarte, ob es dann kommt, ist eine andere Frage.“

Ein anderer Kommentar dort lautet:

„Ich bin weiß Gott kein Mauerblümchen und ich habe eine gesunde Einschätzung meiner Tangofertigkeiten nach gerade mal dreijährigen Tanzerfahrung. Was ich aber unglaublich finde, ist, als Frau auf einer Milonga komplett ignoriert zu werden und sich des Eindrucks nicht erwehren zu können, dass man unsichtbar ist.
Ich saß keineswegs in einem Eckchen oder hinter einem Vorhang und wie Cruella de Vil sehe ich auch nicht aus. Es fühlt sich bescheiden an, wenn der männliche Begleiter munter mit einer Frau nach der andern tanzt und mir hin und wieder eine Tanda gönnt. Es haben zahlreiche Männer den Sitzplatz neben mir eingenommen oder sich in meiner Nähe aufgehalten; keiner hat auch nur im Mindesten Anstalten gemacht, mit mir zu sprechen, mich auch nur anzusehn.
Zugegeben: Mein Fehler ist, dass ich mich auf fremdes Terrain gewagt habe und keinen der Besucher dieser Milonga kannte. Thema ‚Stallgeruch'!
Ich erwarte ja gar nicht, dass Männer sich mit Mirada auskennen, und schwatzhaft müssen sie auch nicht sein. Nur auf ein Rudel tumbe männliche Wesen habe ich – nicht nur auf einer Milonga – keine Lust. Ich möchte eine Milonga nicht als Zuschauer genießen, sondern tanzen bis die Füße nicht mehr mitspielen... Oder sollten wir Frauen die armen, bemitleidenswerten Männer mit unserem – oft so falsch interpretierten – Emanzipationsgetue derart verschreckt haben?

Aus einer E-Mail an mich:

„Ich war bislang auf 4 Milongas und bin nicht EINMAL aufgefordert worden. Dabei weiss ja kein Mann, wie ich tanze. Ob gut, schlecht, mittel...Ich sehe auch ok aus.....Würde ich stricken, nähme ich mein Strickzeug mit.“

Na gut, für die Verwendung der Nadeln hätte ich da eine andere Idee...

Viele Tangoveranstalter ignorieren nicht nur meine Blogartikel (offiziell, gelesen werden sie wohl schon), sondern vor allem auch solche Kritik (was viel schlimmer ist). Stattdessen wird lediglich Werbung veröffentlicht – und in der ist natürlich alles super und perfekt: „Für einen Tango, mit dem wir gut und gerne leben.“ Das wäre doch der Super-Spruch für Milonga-Ankündigungen, dem gegenüber die Zehn Gebote von peinlicher Genauigkeit sind… Im Schlafwagen zum Tango: Von der CDU lernen heißt siegen lernen!

Immerhin hat die betreffende DJane heute (ebenfalls auf FB) ihr Musikprogramm so deutlich wie schon lange nicht beschrieben: „spiele ich vielfältige Musik mit meinen stilistischen Schwerpunkten ‚eher zart, frech und raffiniert als bombastisch, schwülstig und wuchtig‘ und einer ordentlichen Portion Troilo und Pugliese.“
Natürlich bin ich weit davon entfernt zu behaupten, das hätte etwas mit meinen Veröffentlichungen zu tun – nicht mal mit dem von mir hundertfach verwendete Begriff „vielfältige Musik“. Nein, im Gegensatz zur anderen Mutti beschäftigt die Betreffende sicherlich keine Redenschreiber…

Der Kabarettist Volker Pispers hat über Angela Merkel einmal gesagt, das Schlimme an ihr wäre halt nur, dass sie sich nicht für Politik interessiere, sondern lediglich gerne Kanzlerin sei. Unter einer analogen Schwäche scheinen auch viele Tangoveranstalter zu leiden.

Also lassen wir es dabei, dass offenbar mangels Interesses die andere Seite mit mir keine Sachargumente austauschen mag. Stattdessen arbeitet man sich, wenn überhaupt, an meiner Person ab: selbstgefällig, arrogant, unbelehrbar, ein Außenseiter, sozial völlig isoliert. Das muss reichen.

Mir bleibt nur, meiner Kritikerin ein Motto aus einem meiner Lieblingsfilme zuzurufen – er stammt aus einer Zeit, in der in Deutschland leidenschaftlich über den „Muff von tausend Jahren“ debattiert wurde, welcher sich „unter den Talaren“ angesammelt habe:

„Zur Sache, Schätzchen!“

Der Mief, welcher heute schwarzweißen Schuhen, gestreiften Hosen, Neon-Highheels und flatternden Tangoröckelein entströmt, wäre ebenso diskutabel. Ich bin aber gar nicht optimistisch, dass es dazu kommt, und schließe mich daher bei unserem Tanz der Prophezeiung des legendären Werner Enke an:

„Es wird böse enden.“

(Edit: In unserer Facebook-Gruppe "Was Sie schon immer über Tango wissen wollten..." entwickelt sich gerade ein interessanter Dialog mit der betreffenden DJane. Diese Sektion kann man allerdings nur mit Anmeldung zur Gruppe lesen.) 

P.S. Da die Jüngeren den Film wohl nicht kennen werden:

Kommentare

  1. Zur ewigen "Aufforderungsthematik" (zu den Kommentaren der Frauen, die nicht aufgefordert werden):
    Als Mann kenne ich es so, dass ich mich auch von einer Frau eingeladen fühlen möchte. Ich bin auch schon oft neben Frauen gesessen und hab diese dann nicht aufgefordert, weil ich mich schlicht missachtet gefühlt hatte.
    Also bitte liebe Frauen: zeigt halt einem Mann deutlich, dass ihr euch freuen würdet, (von ihm oder überhaupt) aufgefordert zu werden. Und wenn ihr das nicht wollt, dann akzeptiert halt, dass seine Telepathiefähigkeiten vielleicht momentan grad nicht so supertoll in Form sind. ;-)

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    1. Ich möchte diesen Appell nachdrücklich unterstützen:

      Frauen haben doch viele subtile Fähigkeiten, auf sich aufmerksam zu machen. Notfalls sogar per Mirada (sollte auf 50 Zentimeter Abstand doch funktionieren)!

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