Dumm gelaufen




„Die ganze nationalsozialistische Agitation ist ein dauernder Appell an den inneren Schweinehund im Menschen. Wenn wir irgendetwas beim Nationalsozialismus anerkennen, dann ist es die Tatsache, dass ihm zum ersten Mal in der Politik die restlose Mobilisierung der menschlichen Dummheit gelungen ist."
(Kurt Schumacher am 23.2.1933 im Reichstag an die Adresse von Joseph Goebbels)

Über den Wahlerfolg der AfD ist in den letzten zwei Tagen sehr viel geschrieben worden. Warum nun auch noch ein Artikel von mir? Vielleicht kann ich mir als unabhängiger Blogger, der weder gewählt werden will noch um seine feste Stelle in den Medien fürchten muss, die Betonung eines kaum angesprochenen Aspekts leisten:

Der Triumph einer solchen „Protestpartei“ ist zuvörderst auch ein Sieg der Dummheit.

Gewiss, unser Wahlrecht ist nicht an einen Mindest-Intelligenzquotienten oder das Bestehen eines Grundwissenstests in politischer Bildung gebunden. Und das ist auch gut so. Jeder darf bei uns seine Meinung sagen – auch wenn sie total bescheuert und ungetrübt ist von jeglicher sachlichen Information. Und dann auch entsprechend wählen.

Das Internet – und das zeigt sich ja schon bei „harmlosen“ Themen wie dem Tango – hat diesen Prozess erheblich forciert: Haufenweise gibt es in den sozialen Netzwerken Äußerungen, in welchen keine drei Wörter hintereinander richtig geschrieben sind und deren intellektueller Gehalt durchaus mit dem Oberschlundganglion eines Regenwurms zu bestreiten wäre.

Kritisiert man das oder übt sich gar in Ironie, so kriegt man den Prekariats-Spruch vom „Oberlehrer“ um die Ohren. In seinem Text „Heimat“ (1929) sagte allerdings bereits Altmeister Kurt Tucholsky: „Wir, die wir besser deutsch schreiben und sprechen als die Mehrzahl der nationalen Esel.“

Und ebenso, wie diese das Recht haben, ihre Sprüche von „Volksverrätern“ und „Lügenpresse“ zu blöken, dürfen wir anderen dazu feststellen: Das ist schlicht entsetzlich dumm.

Populisten halten von der Intelligenz der Masse nicht eben viel:

„Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergesslichkeit groß. Aus diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig so lange zu verwenden, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich vorzustellen vermag. Sowie man diesen Grundsatz opfert und vielseitig werden will, wird man die Wirkung zum Zerflattern bringen, da die Menge den gebotenen Stoff weder zu verdauen noch zu behalten vermag."
(Adolf Hitler: „Mein Kampf“)

Mehr Sozialkundeunterricht könnte helfen. Und mich interessiert dabei die neueste heilige Kuh, welche man durchs Bildungssystem treibt – Digitalisierung genannt – kein bisschen. Erziehen können am besten richtige Menschen, solche, die selbstbewusst Standpunkte vertreten und daher junge Menschen begeistern. Wer dann einmal kapiert hat, wie kompliziert unser politisches System ist , weil es sich auf verschiedenste Interessen und Zuständigkeiten einstellen, Pluralität gewähren muss, wäre nicht mehr so anfällig für Primitiv-Formeln.

Wie wird der Bundestag gewählt, wie entsteht ein Gesetz, welche Angelegenheiten sind Ländersache oder fallen unter kommunale Zuständigkeiten? Welche Aufgaben hat ein Stadt- oder Gemeinderat? Was sagt unser Grundgesetz über das Asylrecht, und wieso kann es dabei keine „Obergrenze“ geben? Welche internationalen Verpflichtungen wie die UN-Flüchtlingskonvention gibt es? Bei Beschäftigung mit solchen Themen würde vielleicht auch bei hartgesottenen Naturen das bislang ungeübte Gehirn die Herrschaft über das Rückenmark erringen.

Katastrophenszenarien gehören zum festen Repertoire. Stammt die nachfolgende Rede von der AfD oder doch einer anderen Partei? Am Ende dieses Artikels können Sie es lesen:

„Wenn die SPD in Deutschland in diesen Wochen ein wüstes Geschrei gegen die Regierung (…) erhebt, dann ist doch das der Nachweis dafür, dass sie Angst besitzen, die Diskussion könne sich auf die letzten dreizehn Jahre erstrecken. Sie wissen genau: diese dreizehn Jahre zahlen sie.
Denn ist je ein Volk so erbärmlich regiert worden wie wir diese dreizehn Jahre? Hat man jemals in einer so kurzen Spanne Zeit so viel verwirtschaftet, verludert und verschachert?
Hundert Jahre deutscher Fleiß, deutscher Arbeitsamkeit, deutscher Sparsamkeit haben kaum das schaffen können, was dreizehn Jahre Luderwirtschaft restlos verwirtschaftet haben.
Das ist die Schuld des schwarz-roten Regiments. Es hat die Krisen hervorgerufen, aus der die Weltwirtschaftskrise erst entstanden ist.“

Das ist jedoch nur ein Zwischenschritt: Schuld haben letztlich alle anderen Parteien, das „System“ insgesamt – ob CDU oder Linke, da ist man nicht kleinlich. Und zum Schluss mündet dies in die Conclusio: jagen, aufräumen, ausmisten, weg damit! Das Parlament als „Quasselbude“ (Nazi-Jargon) ist da nur eine Übergangslösung.

Damit wir uns nicht missverstehen auch die Nationalsozialisten haben durchaus real existierende Probleme angesprochen: Reparationszahlungen, Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und einiges mehr. Die Frage ist, wie man mit ihnen umgeht. Und es gab auch damals viele Anhänger, die von einem „nationalen Sozialismus“ träumten. Gregor Strasser und Ernst Röhm waren dafür Beispiele – allerdings nur bis 1934, als sie von den eigenen Leuten exekutiert wurden. Rechtzeitige Rückzüge wie der von Frauke Petry sind also durchaus empfehlenswert…

Den sogenannten „etablierten Parteien“ ist sicherlich oft vorzuwerfen, dass sie die „Nöte des kleines Mannes“ nicht ernst nehmen, die einfachen Menschen nicht genug in ihre Entscheidungen einbeziehen. Niedriger Bildungsstand darf kein Ausschlusskriterium bei der politischen Willensbildung sein. Eine besondere Qualifikation dafür ist er aber noch viel weniger.

Man muss also jeden und jede ernst nehmen. Jeden Quatsch hingegen nicht.
Und das darf man dann auch laut und deutlich sagen…

P.S. Die obige Rede stammt von Adolf Hitler (NSDAP-Versammlung in Kiel am 20.7.1932).
http://www.kurt-bauer-geschichte.at/PDF_Lehrveranstaltung%202008_2009/10_Hitler-Wahlreden_1932.pdf


Kommentare

  1. Als ich heute beim Frühstückskaffee Ihren politischen Beitrag im Tangoblog las dachte ich 'ja, muss er DIE Kuh HIER jetzt auch durchs Dorf treiben?'

    Natürlich ist es Mist, nach wie weit braun-rechts die politische Entwicklung der letzten Jahre einen beträchtlichen Teil der Wählerschaft getrieben hat.

    Erinnern wir uns aber an die Bauernregel 'auf Scheiße wachsen Kartoffeln' und hoffen dass dies mittel- oder zumindest langfristig in der Politik eine Analogie findet.

    Mit metapolitischen Grüßen aus Freiburg
    Joachim Gutsche

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    1. Frühstückskaffee ab 13.56 Uhr? Luxuriös!

      Ob wir braunen Mist rein ökologisch loswerden? Die Hoffnung stirbt zuletzt...

      Ich werde hier sicherlich weiterhin über Tango schreiben, aber dennoch schließen sich meiner Meinung nach Tango und politische Überzeugungen nicht aus. Wir haben schon mal auf dem Vulkan getanzt - damals Charleston.

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  2. Hi Gerhard,

    ich bin anderer Meinung. Der Triumph dieser "Protestpartei" ist zuallererst mal eine Ohrfeige ins Gesicht der etablierten Parteien, die in den letzten Jahren in selbstherrlicher Manier Sorgen und Nöte insbesondere der "einfacheren" Bevölkerungsgruppen als "alternativlos", "rechtsradikal", "nazi" etc. abgebügelt haben, und insbesondere auch (mit im Wesentlichen diesen Pseudoargumenten) jegliche (aus meiner Sicht: dringend nötige!) Diskussion über die brennenden Themen abgebügelt haben.
    Und diese "Ohrfeige" haben sie sich schon lange verdient.

    Insbesondere die SPD hat doch mittlerweile jeglichen Kontakt zur Bevölkerung und ihre eigentliche "Stammklientel" (als das mal waren: einfache Arbeiter und "die kleinen Leute") völlig verloren.

    Zum "braunen Mist": ich bin der Meinung, wir haben weniger einen "Rechtsruck" sondern viel mehr eine "Linksflucht" aus den von mir genannten Gründen.

    Ich finds gut, dass es die AFD gibt, und dass diese auch im BT sitzt, denn in einer Demokratie muss es eine Meinungspluralität geben!

    Ciao, Robert

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    1. Hallo Robert,

      ich mag schon diese Wortwahl nicht: Zweck einer Wahl ist es nicht, „Ohrfeigen“ zu verteilen, sondern in möglichst fairer Weise den Willen der Wähler parlamentarisch abzubilden.

      Kein Politiker ist davor gefeit, in Selbstherrlichkeit zu verfallen und die Nöte einfacher Menschen zu wenig zu beachten. Das „Raumschiff Berlin“ gehorcht da leider ganz eigenen Gesetzen (inklusive 18-Stunden Tagen für die Volksvertreter). Es ist eine Funktion von Wahlen, dies immer wieder zu korrigieren.

      Den immer wieder auftauchenden „Protestparteien“ jedoch kann die „Liebe zum kleinen Mann“ meist gar nicht abhandenkommen, da sie diese nie wirklich besaßen: Im typischen Fall sind sie ein Sammelbecken von Schwärmern, Verschwörungstheoretikern, Pleitiers, Querulanten und Egomanen. Ob NPD, Republikaner, Schill-Partei, AfD oder wie man sich aktuell gerade nennt: Sehr bald zerstreitet man sich untereinander und verschwindet irgendwann in der politischen Bedeutungslosigkeit – bis man einige Jahre später mal wieder die donnernde Entdeckung macht, unser politisches System sei völlig korrumpiert und benötige daher eine Generalreinigung.

      Schon mal die Biografien von Leuten wie Petry, Pretzell oder Poggenburg studiert? (Wikipedia könnte helfen.) Da ist oft der Anschluss an die Staatskasse die letzte Rettung, um dann öffentlich alimentiert über die „Plünderung der Sozialsysteme“ durch Asylbewerber etc. herziehen zu können…

      Apropos: Das „Abbügeln der Sorgen und Nöte einfacher Menschen“ hat immerhin bei uns zu einem Sozialstaat geführt, den nicht nur Entwicklungsländer, sondern auch China, Russland und die USA – ja selbst viele europäischen Staaten – gerne hätten.

      „Meinungspluralität“ ist zweifellos ein wichtiges Ziel. Die AfD kann diese ja inzwischen in 13 Landtagen fördern. Ich empfehle das Studium ihrer Auftritte dort (anhand vieler Beispiele auf YouTube): Verbalradikalismus, gezielte Tabubrüche zur Skandalisierung, Monothematik – die Ausländer sind an allem schuld. Für eine Bereicherung der politischen Auseinandersetzung halte ich das nicht, im Gegenteil: Ich stelle mir lieber nicht vor, wieviel „Pluralität“ uns bliebe, sollten solche Herrschaften einmal Mehrheiten erzielen…

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  3. Nachtrag: meine Leseempfehlung dazu wäre der Blog von "Don Alphonso" in der FAZ, z.B. der aktuelle Artikel http://blogs.faz.net/deus/2017/09/28/87-entgrenzer-die-sich-wie-126-afd-benehmen-4658/

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    1. Ja, und? Da hat der Blogger doch recht:

      „Die Erfahrung, dass der Gewalt der Tat die Gewalt der Worte voraus geht, ist eine Grunderkenntnis im Umgang mit radikalen und extremistischen Strömungen, egal welcher ideologischen Prägung. (…) Über die AfD wird viel gestritten, aber ich denke, bei diesen Punkten kann man sich einig sein: Es wird gefährlich, wenn es nicht mehr um politische Argumente und Lösungen für das Land geht, sondern um die verbale Ausgrenzung der Feinde, die Verleumdung ihrer Geschichte, Herkunft und ihres sozialen Umfelds, das in Kollektivhaftung genommen wird.“

      Und dass es Holzköpfe auf beiden Seiten gibt, da die Extreme sich hochschaukeln, ist auch keine neue Erfahrung.

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    2. Robert Wachinger1. Oktober 2017 um 15:42

      Und ach so: ja, ich sehe alle diese Punkte auch auf der angeblich "guten" Seite der "etablierten Parteien". Was ich für sehr viel schlimmer als bei Aussenseitern halte.

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    3. Schon klar, aber der (oft sehr unterschiedliche) "Deppenkoeffizient" sollte halt auch wahlentscheidend sein.

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  4. Robert Wachinger1. Oktober 2017 um 15:39

    Da du zur wahl gebloggt hast: was wäre denn deine Wahlempfehlung gewesen? CSU, SPD, FDP, Grüne, Linke, AFD, eine der Kleinparteien? Oder gar nicht erst zur Wahl zu gehen?

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    1. Also, meiner näheren Umgebung ist bekannt, welcher Partei (auch als Mitglied) meine Sympathie seit meiner Jugendzeit gehört. Aber ich wollte auf meinem Blog keinen Wahlkampf machen - es ging mir um ein allgemeines demokratisches Prinzip.

      Ich glaube nicht, dass ich seit meinem 20. Lebensjahr (mit 18 durfte man damals noch nicht)eine Wahl versäumt habe. Wer nicht wählt, überlässt die Entscheidung anderen.

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    2. Robert Wachinger2. Oktober 2017 um 19:25

      Ich führe die verschiedenen Antwortzweige hier mal zusammen ...
      "ich mag schon diese Wortwahl nicht: Zweck einer Wahl ist es nicht, „Ohrfeigen“ zu verteilen, sondern in möglichst fairer Weise den Willen der Wähler parlamentarisch abzubilden." Ich bin Anhänger einer deutlichen Ausdrucksweise, sorry, wenn du meine Wortwahl nicht magst. Natürlich kann und darf aber jede individuelle Entscheidung beim Wählen als "Ohrfeige" gedacht sein, oder aber beim Nicht-Gewählten als solche ankommen. Wie anders als durch überdeutliche Zeichen soll man denn jemand klarmachen, dass er etwas ändern sollte? ;-)

      Zum "Deppenkoeffizienten": der Fisch stinkt vom Kopf her, ich sehe aktuell keinen grossartigen Unterschied bei diesem Koeffizienten bei der Prominenz der diversen Parteien. Ich muss also eher nach den Programmpunkten gehen ...

      Mir gehts auch um das allgemeine demokratische Prinzip. Und zu dem gehört mMn, dass eine Meinungsvielfalt dazu gehört, dass man an alle Seiten gleiche Masstäbe anlegt. Sowie dass man strittige Punkte diskutieren kann. (Hier sehe ich aktuell einen ziemlichen Niedergang der politischen Kultur)

      " Wer nicht wählt, überlässt die Entscheidung anderen." Ist auch meine Meinung, und da gehört mMn auch die Möglichkeit dazu, anderer Meinung als die "Etablierten" zu sein, ohne deshalb als "Depp von Protestwähler" verunglimpft zu werden.

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    3. Der „Deppenkoeffizient“ bezog sich auf den Anteil von „Holzköpfen“ in allen Parteien (gemäß deiner Behauptung), welcher „auch wahlentscheidend“ ist – natürlich zusätzlich zum Programm.

      Auch Populismus, den ich tatsächlich für entsetzlich dumm, da ungetrübt von
      politischer Bildung, halte, kommt – in unterschiedlicher Dosis – bei allen Parteien bzw. deren Wählern vor.

      „Depp“ mag ein deutliches Wort sein, mit dem man anderen Menschen Klugheit abspricht. „Ohrfeigen“ dagegen ist eine Gewaltvokabel, mit der man noch weit vorsichtiger umgehen sollte.

      Anderer Meinung zu sein gehört zum Wesen der Demokratie. Die Wahlveranstaltungen anderer Parteien zu stören, indem man die Redner niederbrüllt und -pfeift, ist kein „Protest“, sondern der Vorbote totalitärer Ansprüche. Da lege ich an alle Parteien identische Maßstäbe an.

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