Manuela Bößel: So kann man das nicht sehen
17
x 22 cm, Paperback, 152 Seiten, ISBN 978-3-7386-3319-1, BoD, 14,99 €
(Print)
erhältlich als E-Book in diversen Formaten
Jeder Mensch erfindet sich
früher oder später eine Geschichte,
die er für sein Leben hält,
oder eine ganze Reihe von Geschichten
(Max Frisch: "Mein Name sei Gantenbein" )
Nachdem meine Illustratorin in den letzten Jahren etlichen Büchern mit Cover, Bildern, Satz und Layout auf den Markt verholfen hat, stellt sie nun ihren „literarischen Erstling“ vor.
Es
ist eine Sammlung von Geschichten, die man langsam, Satz für Satz
und mehrfach lesen sollte: Was ich in einem ganzen Abschnitt
ausdrücken muss, schafft sie in einer Zeile – und bekommt die
Aussage oft noch treffender hin. Manuela Bößel formuliert knapp,
bodenständig, offen, sinnlich und mit Gefühl für das Absurde im
wahren Leben. Gekonnt spielt sie mit dem Register der Gefühle, um
einem im nächsten Moment eine kalte Wirklichkeitsdusche zu verpassen
oder zum lauten Lachen zu animieren.
Ihre
Texte handeln von Bereichen, die ihr nahegehen: Die Arbeit mit ihren
Patienten in der Pflege, ihre Erfahrungen mit dem künstlerischen
Gestalten und natürlich die Leidenschaft für den argentinischen
Tango. Da kann es dann schon einmal passieren, dass ihre längst tote
Krankenschwestern-Ausbilderin ihr beim „Richten“ eines gerade
verstorbenen Patienten hilft oder ihr Großvater, den die Kunst über
KZ-Haft und Krieg hinwegrettete, aus seinem Bild steigt und beim
Illustrieren am Computer hilft. Als Kontrapunkt schildert sie das
tränentreibende Getue bei einer lokalen Kunstausstellung:
„Semmelhälften-Mandala“.
Können Playmobilfiguren oder Maikäfer Tango tanzen, und kann man
sich in einer Nährlösung einen waschechten argentinischen Tangostar
(„Instant
Tanguero“) züchten?
Für die Autorin ist das alles ganz normal!
„So
kann man das nicht sehen“:
Diese Abfuhr ereilte sie auch jahrelang im wahren Leben. Durch das
ganze Buch zieht sich ihre persönliche Entwicklung, die allmähliche
und mühsame Loslösung vom Zwang, nur für das Glück anderer da zu
sein, Probleme stellvertretend für diese lösen zu sollen.
Inzwischen ist sie mit schlechtem Gewissen kaum mehr zu steuern und
macht ihr eigenes Ding: Sie arbeitet in der ambulanten Intensivpflege
sowie als Heilpraktikerin, liefert Gestaltung und Webdesign – und
tanzt nach wie vor Tango: nicht mehr als Überlebenshilfe, sondern
aus purer Lust an Musik und Bewegung.
„Alles
im Leben hat sein‘ Sinn“:
Diesen Satz ihrer Großmutter hat sie mittlerweile verinnerlicht und
sieht die Dinge so, wie sie ihr erscheinen – und da trifft sie oft
genug ins Schwarze.
In ihrem Vorwort schreibt die Autorin:
"Was ist nun endgültig als 'wahr' zu bezeichnen? Wer besitzt die Kompetenz und Allmacht, das zu bestimmen? Die Aussage 'So kann man das nicht sehen' hat mich mein Leben lang verfolgt.
Ich habe wirklich versucht, mich dem anzupassen, gelungen ist mir das nur selten.
Ist die Frage nach der 'ultimativen Wahrheit' überhaupt relevant? 'Muss ich das wissen?', fragte mich mein Vater oft. Oder geht es vielmehr darum, altlastigen Gespenstern den Schrecken zu nehmen? Sie – gewürzt mit Fantasie, gekleidet in höchst subjektive Bilder – in meiner eigenen Lebensgeschichte auftauchen zu lassen?"
In ihrem Vorwort schreibt die Autorin:
"Was ist nun endgültig als 'wahr' zu bezeichnen? Wer besitzt die Kompetenz und Allmacht, das zu bestimmen? Die Aussage 'So kann man das nicht sehen' hat mich mein Leben lang verfolgt.
Ich habe wirklich versucht, mich dem anzupassen, gelungen ist mir das nur selten.
Ist die Frage nach der 'ultimativen Wahrheit' überhaupt relevant? 'Muss ich das wissen?', fragte mich mein Vater oft. Oder geht es vielmehr darum, altlastigen Gespenstern den Schrecken zu nehmen? Sie – gewürzt mit Fantasie, gekleidet in höchst subjektive Bilder – in meiner eigenen Lebensgeschichte auftauchen zu lassen?"
Natürlich
hat Manuela Bößel ihr Buch selbst illustriert. Auch hierbei rate
ich zu einem längeren Betrachten der Bilder, die oft ihre eigene
Geschichte erzählen und den Texten somit eine weitere Dimension
verleihen. Schon einmal gesehen, wie man auf dem Dachfirst tanzen
kann, wie es in „Tangos
Farm“
zugeht oder wie Fische sich küssen? Lassen Sie sich überraschen!
Man
muss weder medizinisch noch (anderweitig) künstlerisch arbeiten und
auch keinen Tango tanzen, um aus dem Werk Nutzen zu ziehen. Diese
Bereiche liefern nur Beispiele, welche sich auf das restliche Leben
übertragen lassen. Dennoch bietet ein Glossar bei Bedarf die nötigen
Hintergründe – und dass da beispielsweise alphabetisch nach
„Bandoneón“
die „Beatmungsmaschinen“
und „Bebop“
kommen,
kennzeichnet die Sorte Humor der Autorin, mit welcher man durchaus
gewisse Zeitgenossen in die Flucht schlagen kann...
Manuela
Bößel besitzt eine blühende Fantasie, welche ihr zu herrlich
realistischen Erkenntnissen verhilft. Die Welt hinter den Dingen zu
sehen, ist eine Kunst. In diesem Sinne wünsche ich den Lesern dieses
Buches spannende Erkenntnisse über das eigene Leben, welche sie in
diesen Texten erwarten!
P.S.
Natürlich ist der Autor dieser Rezension aus persönlichen Gründen
voreingenommen und hat auch ein wenig am Buch mitgearbeitet. Aber es
steht ja jedem frei, sich per Lesen ein eigenes Urteil zu bilden und
dann hier als Kommentar zu veröffentlichen!
P.P.S. Eine weitere Rezension zum Buch findet sich in der Ausgabe 2/16 der Zeitschrift "Tangodanza"!
P.P.S. Eine weitere Rezension zum Buch findet sich in der Ausgabe 2/16 der Zeitschrift "Tangodanza"!
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