Was dem Justizminister nicht gefiel
Offenbar bin ich tatsächlich nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das jährliche „Derblecken“ (für Nicht-Bayern: „Verspotten“) auf dem Münchner Nockherberg war für mich stets eine Sternstunde der Satire. Erst kürzlich habe ich einen ziemlich beleidigten Kommentator auf meinem Blog wissen lassen:
„Vielleicht schaust du dir heute Abend mal die Übertragung vom Nockherberg an. Da treten Künstler auf, die politische Mehrheitsmeinungen angreifen. Man nennt das Satire. Die anwesenden Politiker wissen, dass man am besten darüber lacht – auch wenn einem nicht danach zumute ist.“
Habe ich da was verpasst? Kürzlich las ich auf Facebook den Beitrag eines gewissen Georg Eisenreich:
„Rückblick auf den gestrigen Nockherberg:
Ich bin froh, dass es das Singspiel gab. Das war stark. Hervorragende schauspielerische Leistungen, niveauvoll, pointiert, ernst und doch unterhaltsam.
Dagegen hat Maxi Schaffroth – nach einem guten Start als Mönch – bei der Fastenrede schwach angefangen und dann noch stark nachgelassen.
Wie fandet ihr Singspiel und Fastenrede?“
Na gut, wenigstens den Namen des Künstlers richtig zu schreiben scheint schon eine Herausforderung zu sein. In den derzeit fast 1500 Kommentaren gelingt das nur fallweise. Herr Eisenreich gehört nicht dazu. Seiner kaum verborgenen Aufforderung zur Kritik folgen zahlreiche Schreiber. Hier eine Auswahl – die schönsten sprachlichen Kreationen habe ich rot markiert:
„dabei hat er die ganze Rede nur gehetzt! Lustig oder ironisch war daran nichts. Und auch noch am Blatt geklebt...“
„klar, man kann mal abhetzen und sich dann freuen, wenn die Leute nicht amüsiert sind. Typisch heutige Zeit. Null Humor, Ironie, Finess, Intelligenz.“
Tja, die Finesse…
„Schafroth hat für mich keinen Humor, er teilte bissig aus, das Publikum hatte teilweise gar nicht gelacht. Ich fand seine Art gekünstelt und peinlich, werde mir den Nockerberg künftig mit ihm nicht mehr anschauen.“
„Der kann gar nichts, der steht noch hinter vielen Dorffastenpredigern, man fragt sich wie er an den Job gekommen ist. Sind bei Paulaner Grüne im Vorstand?“
„Schafroth war einfach nur bösartig und zickig, komplett humorlos. Wird Zeit, dass Paulaner die Reißleine zieht“
„Da stellt sich dann doch die Frage, was bei dem Start als Mönch, der seinen Text vom Blatt abliest, da er ihn sich offenbar nicht merken kann, ‚gut‘ sein soll!“
„Das war zum fremd schämen. Noch nicht mal die Grünen hatten Spaß. Eine völlige Fehlbesetzung.“
„Schaffroth war typisch grün: Wasser predigen, Wein saufen. Hier: freundlichen Umgang miteinander predigen, aber mit unverholenem Hass auf die Union eindreschen. Seine Grünen hat er nur kritisiert, weil die nicht radikal genug sind“
„es heißt derbläcken mit Humor, aber der Herr war richtig wütend“
„Der Gipfel in der Rede war die Umdichtung des ‚Vaterunser‘ zu einem Spottgedicht. Das ist nicht nur ärgerlich sondern beschämend und unerträglich.“
„Wer mit GOTT und SEINEM WORT Spot macht, der wird eines Tages von JESUS dafür gerichtet werden! Leider gibt es so viele und die tun mir heute schon sehr leid.“
„Mich hat fast der Schlag getroffen über soviel Blasphemie.“
„Bei Schaffrath kam für mich unerklärlich hinzu, dass er vom Blatt ablas und mit den Fingern Zeile für Zeile vorgetragen hat.“
„Schaffroth war beleidigend und unverschämt. ‚Derblecken‘ bedeutet hintergründig ‚ermahnen und abwatschen‘ und nicht dermaßen auf eine bestimmte Partei eindreschen mit dem Hintergrund, diese fertig zu machen. Herr Schaffrath ist eine völlige Fehlbesetzung am Nockherberg.“
„Heute ist er einfach nicht politisch neutral genug und kann nur austeilen gegen alles was rechts von Rosa Luxemburg ist...“
„Maxi Schafroth ist unerträglich, und sollte jetzt endlich abgelöst werden! Ich möchte ihn im kommenden Jahr nicht mehr auf dem Nockherberg sehen!“
„Schaffrath links/grün kann man nicht anhören. Der schlechteste Redner den der Nockerberg je hatte“.
„Schafroth schreibt sich mit einem F“
Gratuliere – stimmt!
„Dieser Schafroth ist nur noch peinlich und beleidigend dieses mal konnte er nicht mal mehr über sich selber lachen, ich werde mir diese Veranstaltung mit diesem möchtegern Kabarettisten nicht mehr ansehen“
„Schafroth war wirklich schlecht, sagen auch all meine Verwandten und Bekannten.“
Na, wenn das kein Beweis ist…
„Ein Kabarettist sollte nicht so einseitig sein.“
„Weg mit dem Schaffroth ! Jango Asyl soll kommen !“
Oh nein, Gnade! „Django Asül“!
„Dieser links verseuchte Maxi Schafzipfel ist doch der schlimmste Schleimspurerzeuger, den sie finden konnten. Der sollte wieder ins Allgäu verschwinden, aber selbst da Könnens ihn nicht mehr gebrauchen. Aber wir sind es ja gewöhnt, unsere guten Kabarettisten gehen ins Ausland und nur das Graffel das zu unseren Politikern passt bleibt.“
Für Auswärtige: „Graffel“ gleich „Gerümpel“! Na ja, und deutsche Kabarettisten gehen selten ins Ausland – liegt an der Sprache!
Was mir auch erst nach einiger Zeit klar wurde: Der obige Fragesteller – Georg Eisenreich – ist bayerischer Justizminister! Ob es dann besonders klug ist, einen kritischen Kabarettisten zum Abschuss freizugeben, weiß ich nicht. Zumal, wenn man mit der JVA Gablingen gerade einen fetten Justizskandal an der Backe hat…
Immerhin gelingt der Aufruf zum Verriss nur teilweise. Zirka jeder zweite Kommentar fällt eher CSU-kritisch aus.
Besonders schön fand ich diese beiden Beispiele:
„Habt ihr in Bayern so kurze Pimmel, oder was meint ihr mit überdimensionierten Trinkgefäßen kompensieren zu müssen?“
„Cannabis verbieten, aber dann solche Drogen-Exzesse; ihr habt doch nicht alle Tassen im Schrank.“
Quelle:
Besonders lustig fand ich, dass etliche Männer statt „Schafroth“ „Schaffrath“ schreiben. Nur war Michaela Schaffrath von 1997 bis 2000 unter dem Namen „Gina Wild“ als Pornodarstellerin tätig. Na gut, kann man ja mal durcheinanderbringen…
https://de.wikipedia.org/wiki/Michaela_Schaffrath
Wie es mir gefallen hat? Ich fand die Rede herrlich abgefeimt, wenngleich manchmal ein bisschen zerfahren. Aber das ist halt der Stil von Maxi Schafroth. Die Grundfrage der Satire ist stets das Verhältnis von bitterer Pille und Zuckerguss. In diesem Fall wurde mit Süßigkeiten ziemlich gespart.
Aber urteilen Sie selbst – hier das Video der Fastenpredigt:
Und zur Appetit-Anregung:
https://www.youtube.com/watch?v=7WvaiwAA4fM
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