Ein Jahr "Gerhards Tango-Report"



Am 26.10.13 (übrigens pünktlich zur ersten öffentlichen Lesung des neuen „Milonga-Führers“) hatte mein Blog Premiere mit dem Beitrag: „Zunächst die Antwort auf die entscheidenden Fragen:  Warum und wie?“

Mein Vorhaben, dort gelegentlich einen Artikel zum Tango zu posten, in der Hoffnung, damit den einen oder anderen Leser zu finden, hat sich in einer Weise erfüllt, die ich nicht für möglich gehalten hätte!

Ein Blick in die Statistik des heutigen Tages liefert dazu die nüchternen Zahlen: Bislang gab es auf das Blog zirka 21000 Zugriffe, täglich also knapp 60  - wobei die Raten deutlich steigen. Derzeit schalten sich pro Tag fast 100 Leser ein! (Die eigenen Klicks werden ausgeblendet, sind also hierin nicht enthalten.) Dem Jubiläum entsprechend ist dies der 52. Beitrag. Die Zahl der Kommentare liegt insgesamt bei 166, also etwas über 3 pro Artikel.

Nun gibt es auch beim Tango Internetforen mit deutlich mehr Leserbeiträgen, wohl in erster Linie deshalb, weil man dort ohne wahren Namen schreiben darf. Sehe ich mir allerdings an, was dabei herauskommt, wenn Anonyme ihre Aggressionen ablassen, bin ich mit meiner „garantiert unanonymen“ Verfahrensweise sehr zufrieden. Zudem lade ich ja Kommentare nur dann hoch, wenn sie keine persönlichen Verunglimpfungen enthalten – dies war aber dank der Verpflichtung, Äußerungen namentlich zu verantworten, kaum einmal ein Problem. (Nebenbei: Wer sich unter Pseudonym äußert, verzichtet riskanterweise auf den Persönlichkeitsschutz – ein digitales Konstrukt ist nicht „beleidigungsfähig“, aber auch da habe ich mich zurückgehalten…)

Eine „Weichspülung“ in der Sache steht hingegen weiterhin nicht auf dem Programm: Bei Lob und Kritik bevorzuge ich Klartext – und für beides gibt es genügend Beispiele im Blog. Interessanterweise finden gerade die „negativeren“ Themen mehr Leser, beispielsweise die Rezension des Buches von Nicole Nau (Platz 2 in den „Charts“, wohl vor allem der Bekanntheit der Autorin geschuldet), ebenso die „Idiotologie im Tango“ (Platz 3), „Das Blog der Scientangologen“ (Platz 4) sowie der Artikel über Encuentros (Platz 5). Lustigerweise ist der mit Abstand populärste Beitrag aber einer, der aus einer Augenblickslaune heraus entstand: meine Vorstellung der großartigen Einspielung von „Vida mía“ mit Osvaldo Fresedo und Dizzie Gillespie (mit 32 Wortmeldungen auch der am meisten kommentierte). Und da sage nochmal einer, dass ungewöhnliche Tangomusik nicht die Gemüter bewegen kann!      

Besonders freut es mich, dass mein Blog international Beachtung findet. Zwar stammen die meisten Leser natürlich aus Deutschland (80 %), aber auch in Österreich (6 %), den USA (5 %), der Schweiz (2 %) und – wie schön – Argentinien (1,5 %) sowie in vielen anderen Ländern wird er zur Kenntnis genommen. Da die anderen deutschsprachigen Tangoblogs (aktueller Insider-Gag!) momentan beitragsarm bis belanglos vor sich hin dümpeln, wage ich arroganterweise die Behauptung, dass „Gerhards Tango-Report“ derzeit eine führende Rolle spielt. (Aber vielleicht kenne ich nicht alles – Gegendarstellungen werden per Kommentar gerne entgegengenommen.)

Hier zeigt sich natürlich der Einfluss des digitalen Zeitalters: Während meine Tangobücher inzwischen (in knapp sechs Verkaufsjahren) zirka dreitausend Mal erworben wurden, erfreute sich mein Blog - in nur einem Jahr - fast achtmal so vieler Zugriffe! (Den Einwand, Einschaltquoten seien nicht gleichbedeutend mit Lesern, lasse ich nicht gelten – wie ich aus leidvoller Erfahrung weiß, gilt dies ebenfalls für gedruckte Informationen!) Immerhin ist der „alte“ Milonga-Führer auf dem Markt kaum noch zu haben – für gebrauchte Exemplare wurden bei „Amazon“ schon bis zu 35 € geboten und bezahlt. Und das, obwohl mein Mitblogger Cassiel noch vor zwei Jahren behauptete, der Autor würde „durch die Provinz tingeln“, um „vereinzelt Exemplare seines Buches, die wie Blei in seinem Keller liegen, zu verhökern. Aber warum sollte er ausgerechnet da mal Recht behalten?   

Selbstredend werden meine verehrten Gegner nicht müde, mich (auch hier im Blog) als „Quertreiber“, „Lästerer“ oder „Querulanten“ darzustellen. Vielleicht hilft da ja ein Blick auf die Gründerzeit des Tango: Die Auswanderer, welche damals vor sozialer Not und politischer Verfolgung aus Europa flohen und am Rio de la Plata oft nichts Besseres vorfanden, waren sicherlich weder vornehm noch gebildet und schon gar nicht diplomatisch bis angepasst. Und es dürfte ihnen bei vielen Landsleuten keine Sympathien eingebracht haben, nicht die eigene Volksmusik zu pflegen, sondern von diesem komischen, multikulturellen Mischmasch namens „Tango“ fasziniert zu sein. Bürgerliche Spielregeln zur Parkettbenutzung hätten bei ihnen wohl heftiges Gelächter hervorgerufen, und auf eine hochnäsige bis aggressive Belehrung zur „richtigen“ Musik hin wäre dann schon mal das eine oder andere Messer gezogen worden. Nicht, dass ich mir diese Zeiten zurückwünsche – aber wenn ich heute von den seelischen Blähungen lese, welche bereits der Anblick eines exzessiv tanzenden Paars bei der jetzigen Spartänzergeneration auslöst, finde ich das einfach nur dämlich.  

Dass in Richtung „goldenes Tangozeitalter“ die Oberschicht diesen Tanz via „Salontango“ in Frack, Nadelstreifenanzug und Abendkleid steckte, war nicht die Schuld der Proleten aus den Anfangsjahren – und schon gar nicht, dass jenes spießige Gehabe derzeit wieder fröhliche Urstände feiert. Deshalb bleibt der Tango der „Festival- und Workshopgesellschaft“ eine nette Begleitmusik zum „Ehepaartanzkreis“, mehr nicht. Wie jene Klänge eine Zuflucht aus Elend, Verzweiflung und Depression bieten, welche Glücksmomente sich aus ihren Widersprüchen ergeben können, wird man so nicht erleben. Die Füße im Schlamm der Straße und die Augen zu den Sternen gerichtet, das ist Tango – und nicht Musik und Personal eines Sommerballs im Golfclub.

Daher werden in diesem Blog auch in Zukunft gar lästerliche Artikel erscheinen, stets dem Querdenken und nicht der Stromlinienform verpflichtet!

P.S. Von Beileidsbezeugungen oder Freudenkundgebungen darf abgesehen werden – und wenn, dann bitte im Stil der „guten, alten“ UdSSR: „Das Zentralkomitee der kommunistischen Partei der Sowjetunion gratuliert dem amerikanischen Präsidenten schärfstens zu dessen Geburtstag mit sieben gegen vier Stimmen.“

 

Kommentare

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