Guter Murat ist teuer



Schon neulich habe ich mich kurz mit dem international bekannten Tangolehrer Murat Erdemsel beschäftigt, von dem man bekanntlich unter anderem lernen kann, wie man zu Biagi tanzt:

Der betreffende Tangoveranstalter schreibt dazu: „Seine langjährige Erfahrung als Lehrer, Vortragender und Tänzer machen ihn zu einem Fixstern am Tangohimmel.“ Daher freue man sich ungemein, dass sich der Maestro auf seiner „Welttournee 2017“ in selbige „kleine“ Stadt „verirrt“ habe:

Wahrlich, Bescheidenheit ist des Meisters Tugend eher nicht – auch auf „YouTube“ findet man zuhauf Videos seiner Tangoaktivitäten. Ich habe mir einige Dutzend davon angesehen und will gerne bestätigen: Tanzen kann er, und das in einem höchst eleganten und musikalischen Stil.

Für eine Lehrperson allerdings ist entscheidend: Was haben seine Schüler davon? Videos seiner diesbezüglichen Aktivitäten sind eher dünn gesät. Gefunden habe ich beispielsweise das:

Angekündigt wird das Thema „Cabeceo unter Führenden“ (also deren visuelle Abstimmung auf dem Parkett). Was folgt, ist Tango-Kabarett: Murat Erdemsel parodiert verschiedene Tänzertypen (begleitet von großem Amüsement im Publikum – ist ja nicht wie bei meinem Tangobuch…): Den nur die Partnerin Anschmachtenden (und dabei alles rundherum Vergessenden), den tänzerischen Angeber (den er angeblich an diesem Abend schon live beobachten konnte), einen, der mehr mit der Umgebung kommuniziert als mit seiner Partnerin oder diese ständig belehrt. Erst nach zirka sechs von acht Minuten demonstriert er mit einem anderen Paar: Man muss auch auf seine Umgebung achten und Blickkontakt aufnehmen. Toll!


In einer anderen Lehrstunde widmet sich der Meister dem Thema: „Die Evolution der coolsten Männer, die Tango auf der Milonga tanzen“. Heraus kommt dabei weitgehend eine Parodiensammlung von Tänzern, welche ihren linken Arm nicht nach seinen Vorstellungen halten:


Auch hier endet der Vortrag im Appell, auf seine tänzerische Umgebung Rücksicht zu nehmen. Muss ja öfters mal gesagt werden…

Sorry, ich kann es auch einer international anerkannten Zelebrität nicht ersparen: Monologe halten ist anscheinend die Königsdisziplin in diesem Metier. Und die Partnerin ist nur ein stummes Versatzstück, die sich bereitzuhalten hat, falls der Meister mal doch etwas demonstrieren muss, was vier Füße nötig macht.

Immerhin darf die Assistentin im obigen Video mal ein Vögelchen imitieren (welches inzwischen allerdings ausgeflogen ist – wohl seit 2016 tourt der Chef mit einer neuen Stummen – the show must go on…).

Zugestanden sei ihm, dass er perfekt formulieren kann und durchaus Entertainer-Qualitäten besitzt – aber angesichts seiner pomadisierten Schönheit in weißen Schlaghosen und gleichfarbigen Bonvivant-Slippern dürften seine weiblichen Fans eh kaum auf das Gesagte achten…

Natürlich passt er sich offenbar den neuen Trends an: traditionelle Tangos und Zeitlupen-Tanzstil. Wahrlich, lasst die Musik scheinen und uns Farbe beim Trocknen betrachten:


Hierbei ist dem Maestro allerdings entgangen, dass Angel D’Agostinos Orchester bereits über einen Dirigenten verfügte. Und: Solche Paare habe ich auf traditionellen Milongas auch öfters vor mir. Wenn sie mich dann zu Wiegeschritten zwingen, erkläre ich das meiner Partnerin manchmal so: „Cunita ist ja ein Lunfardo-Ausdruck und bedeutet im Deutschen: Der Depp geht nicht weiter.“

Das informativste Video ist wohl dieses: Im ersten Teil werden zu einem 90 Minuten-Workshop (davon die Hälfte Vortrag) höchst ambitionierte Ziele ausgegeben, für welche ich mir einige Jährchen vornehmen würde. Vom eigentlichen Unterricht ist kaum etwas zu sehen – aber am Schluss wird uns vorgeführt: Das Meisterpaar kann es, und das ist ja schließlich die Hauptsache!


An der Spitze der Entertainment-Skala steht für mich der folgende Sketch. Sehr lustig, ich hätte die Adagio- und Stakkato-Phasen in der wunderschönen Einspielung von „Tango guapo“ allerdings auch ohne das ganze Kasperltheater herausgehört:


Was Kurse und „Workshops“ angeht, sehe ich mal wieder betroffen sowohl Vorhang wie auch Fragen offen… Ich gehe heute lieber wieder tanzen, da lerne ich mehr.

Und nach solchen Kindergeburtstags-Spielchen ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis uns zur Förderung individueller Tangoentwicklung zu Höchstpreisen Eierlaufen, Sackhüpfen und Würstlschnappen angeboten werden!

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