Über den physiologischen Masochismus des Weibes
Strafgesetzbuch § 223
Körperverletzung:
(1) Wer eine andere
Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist
strafbar.
"Bist du ein strenger Lehrer?"
(Frage einer Tanguera, als sie meinen Beruf erfuhr)
"Bist du ein strenger Lehrer?"
(Frage einer Tanguera, als sie meinen Beruf erfuhr)
Neulich
sah ich ihn wieder auf einer Milonga: Seit Jahren versucht er es mit dem Tango.
Er ist völlig unmusikalisch. Er kann es nicht. Er wird es nie lernen. Das alles
wäre ja nicht schlimm. Aber er fordert lebende Frauen auf und malträtiert sie
auf dem Parkett.
Ich
leide nun wahrlich nicht unter einer verengten Sichtweise auf Tanzstile – im Gegenteil,
ich durfte für meine „Laissez faire“-Haltung sowie meine Tanzweise schon genug Prügel einstecken.
Aber irgendwo muss eine Grenze sein! Was dieser Mann anstellt, würde ihm ohne
Musikbegleitung, selbst bei Fehlen von Vorstrafen, locker 80 Tagessätze pro Tat-Einheit
einbringen – und er tanzt ziemlich viel.
Wobei
„tanzen“ nicht das richtige Wort ist: Nach einigen Basisschritten kommt meist eine
manische Phase, in welcher er seine Partnerinnen in präkoitale
Duldungspositionen drückt und sodann von ihnen Bewegungen erzwingt, die mit
irgendwelchen mir bekannten Tänzen inkompatibel sowie ohne Zuhilfenahme von
Handschellen oder Kabelbindern schlichtweg nicht realisierbar sind. Oder er
bolzt sich mit der Eleganz einer hüpfenden Knackwurst durch Frauenbeine wie mit
Gummistiefeln und Sense durchs Schilffeld. Da sehne ich mich nach der vergleichsweisen Geschmeidigkeit von Playmobil-Männchen!
Die Musik dient ihm anscheinend nur dazu, eventuelle Schmerzensschreie zu übertönen. Weitere Einflüsse der gebotenen Klänge auf seine Bewegungen konnte ich nie beobachten.
Für
meine Freunde vom „anderen Tangoufer“ sei hinzugefügt, dass es keineswegs allein die
Musik ist, welche derartige Enthemmungen provoziert. Im Gegenteil, auf der
betreffenden Milonga wird traditionell in Tandas und Cortinas aufgelegt – an dem
Abend war kein Titel dabei, den ich nicht schon mindestens 500 Mal gehört und
getanzt hätte. Von den akustischen Ursachen her hätte folglich ein Stupor oder Wachkoma
näher gelegen als selbige tonisch-klonischen Krampfanfälle. Und eine Ronda war deutlich vorhanden – zumindest, so lange ich nicht auf dem Parkett war...
Nun
verträgt der Tango zweifellos den einen oder anderen Spinner. Und es ist nichts dagegen zu sagen, wenn Tänzerinnen wirklich Spaß daran haben, sich als Bestandteil einer Laokoongruppe zu produzieren.
Von des Albtraumtänzers Tangolehrerin
hörte ich, er hätte bereits zur ersten Stunde eine Videokassette mit Bühnenfiguren
mitgebracht inklusive des Anspruchs, diese nun sofort erlernen zu wollen. Würde
bei unserem Tanz eine ehrliche Kommunikation stattfinden, hätte man ihn schon
in diesem Moment stoppen und so viel Leid verhindern können. Doch offenbar
finden sich immer wieder Figuren-Dealer, welche an Verrückte Drogen, Waffen oder Boleos
verkaufen…
Was
mich noch fassungsloser macht: Der Mann findet stets genügend Mittäterinnen!
Auf besagter Milonga beispielsweise tanzte er mit einer überaus freundlichen
und aufgeschlossenen Dame, welche vielleicht ein bis zwei Jahre Tangoerfahrung
hat. Wenn ich nicht völlig unfähig bin, Mimik zu deuten, so changierte ihr
Blick zwischen Anspannung und Entsetzen, öfters sah man das „Weiße im Auge“.
Doch, oh Wunder – sie verschwendete zwei Tandas hintereinander mit ihm und ließ
sich später sogar noch einmal auffordern.
Mit
diesem aktuellen „Opfer“ habe ich schon ganz am Anfang ihrer Tangokarriere getanzt:
Sie agierte damals wunderschön, sensibel und sanft. Inzwischen wurde sie auf die
sinnlose Akrobatik konditioniert und springt schon, obwohl man sie moch gar nicht
wirft. Wieder ein Talent im Tango weniger – und wir haben eh nicht viele!
Nun
mag es einzelne Frauen geben, welche eine solch ruppige Behandlung (oder noch
Schlimmeres) sogar genießen. Da ich aber solche Verhaltensweisen gehäuft beobachte,
wird diese Erklärung wohl nicht reichen. Eher scheint es eine verbreitete
weibliche Einstellung zu sein, es jedem rechtmachen, niemand enttäuschen zu
wollen, ja als „zickig“ zu gelten, würde man solche Zumutungen zurückweisen. Dafür
nimmt man dann wohl in Kauf, sich nicht nur quälen zu lassen, sondern dabei
auch noch scheiße auszusehen. Oder ist es gar die verzweifelte Devise: „Hauptsache
tanzen – egal wie“?
Interessanterweise
haben solche Kerle beileibe nicht sämtliche Schrauben locker: Nach meinen
Beobachtungen fordern sie nicht nach Schönheit oder Alter auf, sondern eher
nach einer devoten Körpersprache. Frauen, die selbstbewusst und eigenständig
wirken, werden von ihnen gemieden oder zumindest – für ihre Verhältnisse –
relativ zartfühlend behandelt. Mit ein paar Körben mehr könnte man die schlimmsten Entgleisungen verhindern.
Daher,
liebe Tangueras, bedenkt bitte den Satz: „Wer
nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht!“ Ich weiß, Ehrlichkeit
ist oft schwierig, aber dennoch notwendig. Warum einem Tanguero mit Manie statt
Manieren nicht in aller Freundlichkeit klarmachen, dass man einen „sanften
Tango“ möchte (oder die Akrobatik „leider“ noch nicht gut genug hinbekommt)?
Wer allen gefallen will, gefällt sich irgendwann selber nicht mehr. Für Leiden
belohnt wird man nie – sonst wäre es keines! Und die Folgen eines solchen
Masochismus sind Depressionen, Beruhigungsmittel-Missbrauch und schlechte
Tangos.
„Nein,
Herr Möbius, das Weib ist nicht schwach, nicht inferior, nicht ‚physiologisch
schwachsinnig‘, aber das Weib ist krank – es leidet zu sehr unter der
Herrschaft des männlichen Sexus.“
(Johanna
Elberskirchen, Autorin und Ärztin, zum Essay des Neurologen und Psychiaters
Paul Julius Möbius: ‚Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes‘)
P.S. Nein, ich verrate nicht, wer hier gemeint ist. Zudem ist das beschriebene Phänomen alles andere als ein Einzelfall!
Edit 20.11.22: Erst neulich habe ich diesen Tänzer wieder erlebt. Er treibt es immer noch genauso – und findet auch weiterhin genügend Tanzpartnerinnen!
Grade einen Zettel aus der Jackentasche gefischt, der auf dieser Milonga auslag:
AntwortenLöschen"Sie wollen Tango lernen.
Diesen leidenschaftlichen, wunderschönen Tanz. (...)
Sie brauchen: einen Partner oder Partnerin und nicht zu hohe Schuhe. Tanzerfahrung nicht nötig."
Der Text stammt, wie nicht anders zu erwarten, von einer Frau.
Ich glaub, ich sitz' beim Tango schon lang nicht mehr in der ersten Reihe, sondern reihere in die ersten Sitze...