Das Wort kann gehen – ein klassisches Trauerspiel



Dramatis personae
  • der Autor (eines nicht ganz unbekannten Tangobuches)
  • dessen Illustratorin (dem Autor nicht ganz unbekannt)
  • der Rezensent (im Zivilberuf ein nicht ganz unbekannter Musiker)
  • die Redakteurin (einer nicht ganz unbekannten Tangozeitschrift)
  • ein Tangoblogger (nicht ganz bekannt)

Dramaturgie
Rezensent, Redakteurin und Tangoblogger können durch Laiendarsteller besetzt werden!

Ort, Zeit und Handlung
gemäß den aristotelischen Dramengesetzen stets geballt sowie verspätet auftretend

Prolog (Anno 2010)
Via späterhin noch häufiger benutzter Informationskette RedakteurinRezensentIllustratorin erfährt der Autor (wie stets als Letzter) von der geplanten Besprechung der Erstausgabe seines Buches in besagter Zeitschrift. Weitere Kontakte lassen zunächst lange auf sich warten. E-Mails mit Anfragen des Autors an den Rezensenten (ihm bislang persönlich unbekannt) nach dem Fortgang der Besprechung bleiben unbeantwortet. Erst eine ziemlich ultimative Botschaft gewährt dem Autor schließlich die Gnade einer hochnäsig-pikierten Replik des Rezensenten: Bei den Hunderten von Mails, welche er (respektive seine Musikgruppe) täglich erhalte, dürfe es einen nicht verwundern, wenn man per Spam entsorgt werde. Ansonsten neige man philanthropisch dazu, dem Autor seine Schroffheit wegen der besonderen emotionalen Beziehung zum eigenen Werk noch einmal zu verzeihen…

Im weiteren Verlauf darf er sogar noch etliche ziemlich einfältige Fragen des Rezensenten zu seinem Buch beantworten, welche dann fast ein Drittel der Besprechung ausmachen. Eine Zusendung des geplanten Textes unterbleibt; dieser enthält folglich einige Fehler (u.a. wird der Name des Autors im Titel falsch geschrieben) sowie passenderweise einen Hinweis auf die mangelnde Sorgfalt seines Verlags in Sachen Lektorat… Im Anzeigenteil der Zeitschrift ist der Buchpreis unrichtig angegeben. Auch das Versprechen der Redakteurin, der Autor bekomme nach Ablauf der Schutzfrist eine korrigierte Version des Artikels zur eigenen Verwendung, wird nicht eingehalten.

Nach Veröffentlichung in der Zeitschrift erscheint in einem plaudernden Tangoblog ein heftiger Verriss des Buches; in den über hundert Kommentaren dazu wird (neben Schmähungen aller Art) immer wieder behauptet, der Rezensent gehöre zum „persönlichen Nahfeld“ des Autors, und der habe sich bei der Tangozeitschrift lieb Kind gemacht. Dieser widersteht dreieinhalb Jahre selbigem Cybermobbing mit dem Erfolg, dass man inzwischen in jenen Kreisen seinen Namen (und den des Buches) nicht mehr auszusprechen wagt.

Exposition (Anno 2013)
Im Verlauf dieses Jahres wird auch die Tangozeitschrift Opfer eines diesbezüglichen Shitstorms (siehe „Taliban-Artikel“). Die allseits bekannte Gegenwehr des Autors und das Erscheinen der Neufassung seines Tangobuches tragen ihm den Kontakt mit der Redakteurin ein: Anfang November des Jahres wird ihm das Angebot zuteil, in der ersten Ausgabe 2014 eine Notiz zum neuen Buch und im folgenden Heft eine ausführliche Besprechung zu bringen. Ob es wieder derselbe Rezensent sein dürfe? Trotz heftigen Magendrückens sowie um des lieben Friedens willen ist der Autor einverstanden – zumal er nun plötzlich auch noch Beiträge fürs Blatt schreiben soll…

Erregendes Moment und Steigerung (Anno 2014)
Etwa einen Monat später erfährt der Autor von seiner Illustratorin, der Rezensent habe die Textdatei seines Buches bei ihr angefordert und erhalten. Trotz zunehmenden Bauchwehs (damit ist eine digitale Version in dritter Hand) nickt er auch dieses ab. Selbstverständlich liefert sein Verlag Rezensionsexemplare – und die Tangozeitschrift hatte bereits eines bekommen. Sollte man ein Buch, das man bespricht, nicht auch in der Hand haben?

Zudem war dem Autor von der Redakteurin inzwischen mitgeteilt worden, mit der Ankündigung seines Buches in Ausgabe 1/2014 werde es nun („aus Platzgründen“) doch nichts. Aber im folgenden Heft komme ja dann die Rezension – na gut, dem Reduktör ist nichts zu schwör… (Binsenweisheit aus Zeitungs-Entenhausen).

Inzwischen rückt der Redaktionsschluss (Mitte Februar) für die zweite Ausgabe näher – von einem Düsentrieb ist nichts zu spüren: Der Rezensent hüllt sich in gewohntes Schweigen, die Zeitschrift dito.

Peripetie (in Zeitnot)
Gut drei Monate nach Übernahme der Aufgabe, eine Druckseite Besprechung zu liefern, benachrichtigt der Rezensent die Illustratorin (ohne Information des Autors, also auf üblichem Weg), er habe versehentlich die Textdatei des Buches samt seiner Notizen gelöscht und benötige sie daher erneut. Nochmalige Versendung bei kolikartigen Magenschmerzen des Autors, als er davon erfährt – Nostalgieanfälle mit Fantasien von Printbüchern, Stiften und Notizblöcken werden tapfer unterdrückt.

Ende Februar dann erster Anruf des Rezensenten beim Autor: Er möge bitte einige Fragen zum Buch (erst jetzt!) beantworten, außerdem brauche man Bildmaterial zum Artikel (auch das noch nicht da gewesen). Alles Benötigte wird ihm am selben Tag zugesandt. Aber der Redaktionsschluss sei doch längst vorbei? Keine Sorge, er habe da „Sonderrechte“. Wie schön! Und der Autor erhielte „selbstverständlich“ den Text vorab (noch schöner, aber bis heute unterblieben).

Katastrophe und Ende (zeitlos)
Anfang März wieder Anruf des Rezensenten bei der Illustratorin (Kommunikationsweg wie oben): Wenn man dem Artikel jetzt noch Bilder hinzufüge, werde wohl der Platz in der kommenden Ausgabe nicht reichen. (Späteres Eingeständnis: Er wusste dies schon seit einem Telefonat mit der Redakteurin einige Tage zuvor!) Da es aus seiner Sicht inzwischen mehr um GockelInnengehabe als um eine Buchbesprechung geht, storniert der Autor das Projekt per E-Mails an Zeitschrift und Rezensenten. Ein drohender Magendurchbruch wird so verhindert.

Erinnyen-Gesang zur Musik „Sombras nada mas“ (Insider-Gag)
In der Folge nun plötzlich hektische Kontaktanbahnungsversuche:

Der Rezensent weist auf seine schon getätigte „sehr viele Arbeit“ hin, für die er kein Geld erhalte (widerspricht eigenen Erfahrungen des Autors).

Die Redakteurin äußert zunächst, dessen Rückzug komme ihr „gerade sehr gelegen“, da man die Buchbesprechung in der nächsten Ausgabe wohl nicht mehr untergebracht hätte. Einen Tag später bittet sie jedoch, diesen Entschluss hinsichtlich des folgenden Heftes noch einmal zu überdenken, weil – festhalten, jetzt kommt’s – der Rezensent sich schon so viel Arbeit gemacht hätte!

Der Autor antwortet hierauf, es stünde Zeitschriften frei zu entscheiden, welche Bücher sie wann und von wem besprechen ließen. Dies stößt nun bei der Redakteurin endgültig auf Kopfschütteln: Es gehöre doch „zum guten Ton und Umgang miteinander“, sich „mit Autoren zu verständigen“… (Bumtä, bumtä, Narhallamarsch – und das zu Beginn der Fastenzeit!)

Epilog (hat Zeit)
Natürlich erscheint auch in der Ausgabe 3/2014 keine Rezension des Buches; ein bestellter Artikel des Autors wird zwar abgedruckt, allerdings der Name seiner Illustratorin in zwei Versionen falsch geschrieben.

Sehnlichst erwartet der Autor den nächsten Shitstorm im Internet: Er möchte wieder echte Feinde statt solcher Freunde…

Finaler Kalauer (wird auch Zeit)
Wieso zündete Nero Rom an? Weil er Bielefeld nicht kannte!
 


Kommentare

  1. Na, in der neuen Ausgabe der Zeitschrift (4/2014) erschien nun doch eine sehr positive Rezension meines neuen "Milonga-Führers". Muss man denn immer erst böse werden?

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  2. Das Abo der Tangozeitschrift habe ich allerdings dann trotzdem umgehend gekündigt!

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