Wieder in der Fahrschule
Tatsächlich habe ich vorgestern eine Fahrstunde erhalten!
Wieso?
Ich werde heuer 75 – und die Statistik besagt, dass es ab diesem Alter auf den Straßen gefährlicher wird: Bei drei Vierteln der Unfälle tragen die Senioren die Hauptschuld. Das ist der höchste Anteil aller Altersgruppen! Danach kommen junge Erwachsene (18-25 Jahre) mit zwei Dritteln. Die Ursache ist weniger hohes Tempo als Missachtung der Vorfahrt, Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren etc. Die Unfallfolgen sind bei den Alten oft gravierender als bei Jüngeren. Klar – die Einwirkungen treffen ja häufig auf eine sowieso schon angeschlagene Gesundheit! Die Zahl der Todesopfer liegt deutlich über der Rate der anderen Altersgruppen.
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/11/PD24_N058_46241.html
Für mich stellt sich schon seit einiger Zeit die Frage, wie lange ich mich noch ans Steuer setzen sollte. Schon jetzt überlasse ich den Platz hinterm Lenkrad lieber meiner Frau – die ich eh für die bessere Fahrerin halte. Insbesondere meide ich Nachtfahrten und Regionen, in denen ich mich wenig auskenne.
Ich fand es eine gute Idee, meine fahrerischen Fähigkeiten einmal von einem Profi beurteilen zu lassen – und das sind Fahrlehrerinnen und Lehrer nun wirklich:
Man muss bereits eine abgeschlossene Ausbildung (Abitur, Fachabitur oder zweijährige Lehre) vorweisen können (oder einen Eignungstest bestehen), die deutsche Sprache beherrschen (ein Unterschied zum Tango) und seit drei Jahren den Führerschein Klasse B und BE haben. Vorstrafen oder ein Eintrag in Flensburg könnten ebenfalls Probleme bereiten.
Die Ausbildung dauert zirka 12 Monate. Da Fahrlehrkräfte inzwischen Mangelware sind, ist das Gehalt durchaus attraktiv!
https://www.fahrlehrerschmiede.de/fahrlehrer-werden/
Im Gegensatz zum Tango hat man es also mit echten Profis zu tun!
Den Führerschein habe ich im März 1971 gemacht, also mit 20 Jahren. Mein damaliger Fahrlehrer war ein ziemlicher Muffel, der mich schließlich, nach zirka 25 Fahrstunden, mit den Worten in die Prüfung schickte: „Riedl, jetzt müssen wir es halt mal probieren…“
Der Chef der Fahrschule war ein früherer Arbeitskollege meines Vaters, der ursprünglich beim Arbeitsamt als Fahrer arbeitete und mit meinem alten Herrn über die Dörfer gurkte, wo sie den Arbeitslosen in irgendwelchen Wirtshäusern die Stütze auszahlten. „Stempeln gehen" nannte man das einst.
Die Hoffnung meines Erzeugers, dass ich beim Chef Fahrstunden erhalten würde, zerschlug sich, da dieser mehr auf junge Schülerinnen stand, die er im Unterricht („gnädige Frau“) kräftig anbalzte. Dort setzte er auch gern sein Siebenbürger Operetten-Timbre ein: „Ein Rickliecht ist kein Scheinwerfer, da es ja keinen Schein nicht wirft.“
Für mich reserviert war im Theorie-Unterricht das Bayerische: „Riedl, derfst du da mit deinem Moped neifahrn?“ (Ich machte einige Jahre vorher den Führerschein Klasse 5.)
Wider Erwarten bestand ich die Fahrprüfung auf Anhieb, da der Prüfer wohl dringend aufs Klo musste und mich bereits nach 20 Minuten zur Fahrschule zurückbeorderte, wo er mir den Führerschein mit den Worten überreichte: „Dass ihr jungen Kerle immer so rasen müsst…“ und eiligst im Sanitärbereich verschwand. Ich glaube heute noch, dass ich meine Fahrerlaubnis einer schwachen Blase verdanke!
Mein Verhältnis ist also nicht nur gegenüber Tangolehrern getrübt. Meine Frau fragte mich im Vorfeld: „Wenn der Fahrlehrer dir nun empfehlen würde, dich nicht mehr ans Steuer zu setzen – würdest du seinen Rat befolgen?“ Meine Antwort: „Ja, wenn er kein Depp ist!“
Tatsächlich hat ein solcher „Fahr-Fitness-Check“ (den beispielsweise der ADAC anbietet) keine bindende Wirkung: Niemand muss befürchten, dass die Straßenverkehrs-Behörde davon erfährt und einen dann zur MPU („Medizinisch-Psychologische Untersuchung“) schickt. Was übrigens durchaus geschehen könnte, falls die liebe Familie den bereits ziemlich orientierungslosen Opa verpetzt!
Dennoch sah ich dem Tag meiner „Fahrstunde“ mit etwas Nervosität entgegen. Am Tag vorher dann ein Anruf der Fahrschule: Ihr Mitarbeiter würde mich von zu Hause abholen – was dann auch pünktlich auf die Minute geschah. Schon damit kann man bei mir größte Sympathien erwerben!
Um es gleich zu sagen: Ich durchlebte völlig entspannte 60 Minuten. Der Fahrlehrer (schätzungsweise halb so alt wie ich) ließ mir Zeit, mich mit dem Wagen (glücklicherweise mit Schaltgetriebe) vertraut zu machen und schickte mich dann auf eine Tour in die nahe Kreisstadt, über Land und auf die Autobahn, am Ende zurück zu mir nach Hause.
Seine Anweisungen waren absolut klar und verständlich, er verwickelte mich in nette Gespräche. (Wollte er damit meine Konzentrationsfähigkeit testen?) Dennoch merkte ich bald, dass er mir genau nicht nur auf die Finger schaute: „Mir gefällt, dass du oft in die Spiegel blickst“ meinte er einmal. Huch, wie sieht er das? Na ja, Profi halt…
Positiv merkte mein Fahrlehrer an, dass ich für mein Alter doch ziemlich schnell reagiere und noch recht beweglich sei (siehe „Schulterblick“). Abzüge gab es, da ich zweimal doch mit knapp 60 Sachen durch die Dörfer sauste. Mehr als zwei Sekunden in diesem Tempo würden eine Fahrprüfung sofort beenden!
Bei einem Unfall gebe es bei Tempo-Verstößen keine Ausrede: „Die Sachverständigen rechnen dir auf den Meter genau aus, ob du bei vorgeschriebener Höchstgeschwindigkeit noch hättest anhalten können!“
Ich werde mir das zu Herzen nehmen – und es ist ja auch Blödsinn, solche Risiken einzugehen, um dann eine halbe Minute früher anzukommen. Gerade in meinem Alter…
„Note zwei“, so das abschließende Urteil des Fahrlehrers. Er habe sich mit mir als Fahrer sehr sicher gefühlt. Wie schön!
Per Post bekomme ich demnächst eine Bestätigung zum Fahrsicherheits-Training. Immerhin könnte ich im Fall des Falles nachweisen, dass ich meine Fitness einmal habe testen lassen. Um die 100 Euro kostet der Spaß – gut angelegtes Geld, wie ich finde!
Gerade in der überalterten Tangoszene könnte es nicht schaden, wenn mein Artikel Kolleginnen und Kollegen anregen könnte, sich einmal einem solchen Test zu stellen. Navigations-Probleme auf dem Parkett sind (obwohl oft dramatisiert) harmlos – nachts auf der Heimfahrt von einer Milonga könnte es um Leben und Tod gehen!
Ein großes Kompliment jedenfalls an meinen Fahrlehrer Matthias Wolf von der Fahrschule Fleischmann in Pfaffenhofen! Von Berufs wegen kann ich pädagogische Fähigkeiten ganz gut einschätzen und sage daher: Betriebe ich eine Privatschule, würde ich ihn sofort als Lehrer einstellen. Die Fächer könnte er sich raussuchen!
In vielen europäischen Ländern sind Nachweise der fahrerischen Fitness für Ältere bereits vorgeschrieben – und ich prophezeie: Sie werden auch bei uns kommen!
Nachdem ich Unterricht bei Tango-Weltmeistern ausgeschlagen habe, darf ich nun immerhin feststellen: Wenn ich schon nicht tanzen kann, dann doch wenigstens fahren!
Hier noch einige Informationen zum Thema:
https://www.youtube.com/watch?v=YuAjNAOD-qM
P.S. Heute erreichte mich (typischerweise um Mitternacht) ein Kommentar zu diesem Artikel, der es in einer guten Zeile auf rekordverdächtige fünf Fehler brachte:
„gibt es so etwas auch für blogger? sicherlich würde man Ihnen raten, sofort Ihren Blog zu schliessen.“
Nicht nur, dass solche Schlampereien einen mangelnden Respekt für die Lesenden bedeuten – es gilt halt auch: Wer nachlässig schreibt, denkt auch nicht genauer.
Na also, es geht doch – und damit solltest Du's auch belassen. Und nicht vergessen: Die Urkunde für das Fahrsicherheitstraining einrahmen und ins Wohlzimmer hängen.
AntwortenLöschen„Wohlzimmer“ – ist das ein Wortspiel oder die Folge des Hauptschul-Abschlusses?
AntwortenLöschenNee, Abi und Studium, bewahrt aber nicht immer vor Tippfehlern.
AntwortenLöschenIch empfehle stets, Kommentare per „Word“ (oder mit einem anderen Textprogramm) zu entwerfen. Dann bekommt man Rechtschreibfehler nämlich angezeigt. Eine andere Möglichkeit wäre, nicht allzu gescheit daherzureden und somit die Fallhöhe zu verkleinern.
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